annaschmidt-berlin_wertdesmenschenIch bekam eine E-Mail von einer Kollegin, die gerade die Nachrichten gesehen hatte. Sie hatte dabei erfahren, dass für den Fussballspieler Christiano Ronaldo die stolze Ablösesumme von einer Milliarde Euro bezahlt werden müsse. Zum Vergleich meinte sie, dass unserem Staat unsere Kinder nicht einmal 100 Euro Schulbüchergeld wert sind oder die Gemeinde Esslingen einen Flüchtlingsstopp verhängt, weil die Kapazitäten/Gelder ausgeschöpft sind. Ihre abschließende Frage an mich war, ob es nicht einmal einen Bericht wert wäre in Betracht dieser Zahlen darüber nachzudenken, was ein Menschenleben wert wäre. Ist es, meine ich, unbedingt.

Man kann den Wert eines Menschen nüchtern betrachten oder moralisch. Nüchtern betrachtet kann man rechnen und dazu wurden schon vielseitige Studien und Berichte angefertigt. Die körperlichen Bestandteile lassen sich in Herz, Nieren, Lungen, Darm, Eizellen, Samenspenden, Muttermilch, Haare, Netzhaut … unterteilen. Je nachdem wie groß die Nachfrage ist, ließe sich unterschiedliches Kapital daraus schlagen. Ein Lungenflügel wird in etwa mit 110 000 Euro veranschlagt, eine Niere nur noch 90 000 Euro, ein Herz nur 50 000 Euro. Entsprechend kleiner die anderen Körperlichkeiten. Diese Zahlen kamen nach einer Recherche der italienischen Zeitung Focus (nicht zu verwechseln mit der deutschen Ausgabe) zustande, die Versicherungsexperten schätzen ließ. Die stolze Gesamtsumme belief sich auf 44 500 000 Euro (gerundete Zahlen aus einem Bericht des Hamburger Abendblattes von Oktober 2003). Macht immer noch keine Milliarde und verkaufe ich das alles – einen einwandfreien Zustand vorausgesetzt – kommen allenfalls meine Kinder in den Genuss des Geldes.

Chemisch betrachte kann man den Menschen in die Bestandteile Wasser, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Aschenbestandteile zerlegen. Dabei kommt eine klitzekleine Summe raus. Medizinisch ließen sich Hormone und Insulin zusammenrechnen, was wieder in die Millionen geht. Der Physiker wiederum führt die Energie und Kilowattstunden ins Feld, die zwar Millionen, aber immer noch keine Milliarde einbringen würden.

Wenn wir gesellschaftlich an das Thema herangehen, müssten wir uns fragen, was für Eigenschaften den Mensch für die Gemeinschaft aller wertvoll macht. Sind es beispielsweise Nelson Mandela, Mutter Theresa, Mahatma Ghandi oder die diesjährigen Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi und Malala Yousafzai, die Eigenschaften vereinen, die solch eine unglaubliche Summe rechtfertigen. Oder sind es wohlmöglich doch irgendwelche Wirtschaftsbosse, die den Kreislauf der Handelsgüter in Bewegung halten. Sind es die Politiker, die Fäden verstricken, verknüpfen und lösen, um das Nebeneinander, bestenfalls Miteinander aller Länder der Erde aufrecht zu erhalten? Vielleicht doch die Profisportler, die die Massen beschäftigen und so von dummen Gedanken abhalten.

Auf diese Weise komme ich weder nüchtern noch moralisch betrachtet dem Wert eines Menschen wirklich näher. Diese Frage kann meiner Ansicht nach nur mit dem Herzen und meiner Lebenseinstellung beantwortet werden. Und jeder wird sie entsprechend seiner Erfahrung anders beantworten. Nur in einem wird sich die Mehrzahl einig sein – in Euro kann ich den Wert nicht messen. Ein Menschenleben lässt sich nicht messen, nicht in Geld oder Leistung, auch nicht in Geisteshaltung, Fleiß, Geltung, Bekanntheit, Bescheidenheit oder anderen Werten. Jeder Mensch ist gleich viel Wert, gleichgültig was er denkt, glaubt, liebt, tut oder spricht. Es gibt nicht einen einzigen Grund, warum sich ein einziger Mensch über einen anderen stellen kann. Keinen Winkel der Erde in dem ein Mensch weniger Wert ist. Keinen Grund, der einen Menschen entwertet. Keine Gesellschaft, die Menschen in Rangfolgen einteilen darf. An dieser Stelle werden sicherlich einige überlegen, was für Verbrecher oder Menschen gilt, die anderen schaden. Auch die sind, in meinen Augen, gleich viel wert. Es ist aber eine Frage, wie eine Gesellschaft mit ihnen verfährt. In keinem Fall darf ein Mensch über ein anderes Leben entscheiden. Denn das bedeutet, sich über ihn zu stellen.

Es gibt Menschen, die sind mir persönlich unglaublich viel wert. Meine Kinder und mein Mann an erster Stelle, meine Familie, die Freunde, Bekannte … Menschen, die ich durch irgendwelche Umstände kenne. Entscheidend ist dabei aber auch die Frage, was ich mir selbst wert bin. Je höher ich die Wertigkeit bei mir selber ansetze, je höher mein Selbstbewusstsein ohne Arroganz ist, desto eher ist es mir möglich die Wertigkeit anderer Menschen wahrzunehmen. Eine realistische Betrachtung ist zudem hilfreich. Kein Mensch mag hören „Jeder ist ersetzbar!“, was aber nun mal den Tatsachen entspricht. Nur bedeutet das nicht, dass ich nichtig bin, denn die wichtige Frage, was bin ich für andere wert, ist wiederum für mein Handeln interessant und sollte Motivation und Motor sein.

Natürlich ist mit klar, dass die eine Milliarde für Christiano nie gezahlt werden sollte, sondern eher als Abschreckung dient, ihn durch andere Vereine abzuwerben. Dennoch – die Summe ist so unglaublich hoch und die Vorstellung, wo man mit so viel Geld überall helfen könnte, so unglaublich schön. Es ist eine schizophrene Welt in der wir leben. Menschen, die so viel Geld haben, dass sie im Leben nicht ausgeben können. Menschen, die selbst in reichen Staaten wie unserem nicht wissen, wie sie ihre Kinder am Monatsende ernähren sollen. Kinder, wie die von Michael Jackson, die überhaupt keine Relation zu Geld haben und Kinder, die nie eine Chance haben werden, Bildung und damit ein einigermaßen gesichertes Leben aufzubauen. Wenn ich von so hohen Summen höre, beispielsweise von unglaublichen Firmengewinnen, stellt sich mir eigentlich eine andere Frage als der nach dem Wert eines Menschen. Wir müssen eher hinterfragen, ob die Welt überhaupt noch einen realistischen Sinn für die Verteilung der Güter und die Gerechtigkeit aller Menschen hat. Wann wird sich das Denken weg von nicht mehr fassbaren Gewinnsummen zu sozialem und insbesondere nachhaltigem Denken auf allen Ebenen ändern.

So ist ein Menschenleben manchmal und für manche nichts wert. Umso wichtiger, dass es für uns unbezahlbar bleibt!

Anna Schmidt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Erschienen in dem Blog „Bunt und farbenfroh …“ am 19. Oktober 2014