Die ältere Dame im Park sammelte Flaschen. Sonja hatte es beobachtet und sich gewundert, weil die Dame nicht so aussah, als wäre sie darauf angewiesen. Sie kamen ins Gespräch und die Dame erzählte ihr, dass sie sich dadurch ein zusätzliches Taschengeld sichern würde. Das gefiel Sonja sehr, da sie recht schnell auf die Idee kam, dass sie dadurch Tierfutter finanzieren könnte. Nicht für ihre eigenen Tiere. Für die vielen anderen Tiere, die draußen leben.

Sonja führt eigentlich ein ganz normales Leben. Sie arbeitet, hat ihre Tochter großgezogen, hat ein festes Wohnumfeld und viele Freunde. Aber Sonja hat auch ein ganz großes Herz und da beginnt ihr nicht mehr ganz so normales Leben: Sie liebt ganz besonders Tiere und hat viele Jahre im Tierschutzverein geholfen. Irgendwann mochte sie einige Dinge, wie sie dort geregelt wurden, nicht mehr so hinnehmen. So gründete sie ihren eigenen Tierschutz, insbesondere um ältere Tiere aufzunehmen, aufzupäppeln und schließlich zu vermitteln. Aber das kann man in der eigenen Wohnung natürlich nur begrenzt machen, zumal sie selber drei Hunde und drei Katzen zu ihrem Haushalt zählt. 

Sie will Hilfe dort hinbringen, wo sie auch ankommt. Am Anfang sagt sie von sich selber, hätte sie noch nicht so viel Ahnung gehabt. Sie hat Sachen gesammelt und zum Bahnhof Zoo gebracht. Dort fiel ihr aber bald auf, dass die Obdachlosen, die dort hingehen, schon gut versorgt werden. Sonja beschloss in die Parks zu gehen. Dort auf die Leute zuzugehen, die Hilfe brauchen. Sonja spricht die Obdachlosen an, die sich meist wundern, dass sich jemand für ihre Geschichte interessiert. Viele dieser Menschen sind es nicht gewohnt zu reden. Fassen sie jedoch einmal Vertrauen, schütten sie ihr Herz aus. Sie erzählen, wie schön es ist, wenn jemand wenigstens einmal grüßt. Das sind kleine Momente, in denen sie sich wahrgenommen fühlen. Während des Gesprächs fragt Sonja, ob sie etwas benötigen und freut sich, wenn sie das gewünschte dabei hat. Oder sie kommt wieder. Tierfutter hat sie immer dabei. Für die Tiere der Obdachlosen oder frei lebenden Tiere, ganz egal. Manche Obdachlose trifft sie eine Zeit lang immer wieder, bis sie eines Tages dann weg sind.Die Straßenkatzen hat sie beim Flaschensammeln entdeckt. Hin und wieder ist auch mal ein Fuchs dabei, der Hunger hat. Auch der findet Platz in Sonjas Herz. Sie füttert solange, wie sie etwas zum Füttern hat.

Nachts war sie schon immer viel draußen, erzählt Sonja. Der Schlaf ist nicht gerade ihr großer Freund. Wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, sind erst einmal die eigenen Tiere dran. Nach der Hunderunde schmiert sie zuhause Stullen oder kocht auch mal Suppe. Das packt sie zusammen mit dem Tierfutter in ihr Auto. Ohne Auto, sagt sie, könnte sie so nicht viel helfen. Dann geht sie in die Parks, wo sie verteilen kann, was sie hat. Die Katzen liegen ihr besonders am Herzen. Wenn sie Streuner findet, versucht sie diese einzufangen. Bei einer befreundeten Tierärztin werden die Katzen untersucht, kastriert und geimpft. Wenn alles in Ordnung ist, werden sie wieder dort freigelassen, wo sie herkamen. 

Manchmal gibt Sonja zu, kommt sie schon an ihre Grenzen. Sie arbeitet tagsüber und ist dann jede Nacht unterwegs. Ihre Schwester wollte ihr eine Zeit lang helfen, hat dann aber aufgegeben, weil Sonja nach solchen Nächten frühestens in den Morgenstunden nach Hause kommt. Wenn sie das drei Tage, bzw. Nächte hintereinander macht, wird es schwierig. Sie hat immer geholfen, wo sie konnte und sie beschreibt es wie einen inneren Drang herauszugehen, dorthin, wo sie gebraucht wird. Sonjas Mutter und Tochter machen sich oft Sorgen, wenn es zu viel wird, aber aufhalten können sie Sonja nicht. Immerhin hat die Mutter in diesem Jahr einen Urlaub verordnet. Sonja gibt zähneknirschend, aber zwinkernd zu, dass sie das ja nicht ausschlagen kann, weil die Mutter den Urlaub mit Tochter bezahlt und zudem in der Zeit ihre Tiere hütet. 

Sonja ist keine reiche Frau, aber ist stolz, alles zu haben, was sie braucht und gut über die Runden zu kommen. Was zu viel ist, gibt sie weiter. Oder sammelt. Einmal im Jahr fährt sie mit vollgepacktem Auto nach Ungarn. Dort trifft sie eine ältere Dame, die sich ebenfalls vor allem um Katzen kümmert, und bringt ihr Futter oder auch mal einen guten Kaffee. Sie hatte um Spenden zu bekommen eine Facebook-Gruppe gegründet. Früher hieß die „Sonjas tierzuliebe“. Jetzt heißt sie „Trödelgruppe für Opis Freunde von Sonjas tierzuliebe“. Opi ist, wen wundert’s, ein Hund. Oder man freundet sich einfach mit Sonja Mattes an … so wie fast 5000 Menschen, die Sonja Zuspruch geben und spenden. Tierfutter, Trocken oder Feuchtfutter kann sie immer gut gebrauchen. Oder für obdachlose Menschen freut sie sich über Socken oder Unterwäsche. Und wer Sonja in einem der Parks trifft … sie nimmt auch gerne das Flaschenpfand.

Anna Schmidt


Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ 2.2019 mit dem Leitthema „Alltagshelden“
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