thomas_mampel_2013_web „Thomas Mampel, Baujahr 1962, Berliner, Sozialarbeiter, Vater, Großvater. Blogger. Und natürlich Herthaner.“ … stellt er sich in seinem Blog „mampel’s“ Welt selber vor. „Er versteht sich als social entrepreneur, ist Mitgründer und Geschäftsführer des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Gründungs- und Unternehmerzentrums  .garage berlin GmbH und Gründungsmitglied und Vorstand des gemeinnützigen Vereins Computerbildung e.V. Für die .andersberater ist er unterwegs um Gründerinnen und Gründer im Sozialbereich zu beraten und Führungskräfte sozialer Organisationen zu unterstützen. … Und nebenbei spielt er Gitarre in der Band Telte.“

Thomas Mampel bloggt nicht nur, er ist auch in allen sozialen Netzwerken zu finden, vernetzt seine Ziele und Aufgaben mit Kooperationspartnern, verliert nie den Blick nach vorne und beobachtet richtungsweisend Entwicklungen, die für die Struktur und Arbeitsweise seiner MitarbeiterInnen von Bedeutung sind. In zahlreichen bezirklichen Gremien und verschiedenen Verbänden vertreten, mischt er sich ein, wo immer er seiner Sicht der Welt ein Stückchen in Richtung Zukunft helfen kann.

Wenn sie auf die letzten 20 Jahre zurückblicken: Würden sie heute noch einmal das Wagnis der Gründung eines eingetragenen Vereins mit so viel Verantwortung auf sich nehmen?

Auf jeden Fall. Wir sind 1995 mit wenig Geld, aber viel Enthusiasmus gestartet. Getreu dem Motto „Wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie“ haben wir uns zunächst ehrenamtlich, später dann mit ein paar Honorar- und Personalmitteln für den Kiez in Lankwitz Ost engagiert. Offenbar haben wir meistens die richtigen Dinge richtig gemacht – denn der Verein ist von Jahr zu Jahr kontinuierlich gewachsen und v.a. auch besser geworden. Wir haben tolle Mitarbeitende für unsere Projekte gewinnen können und arbeiten mit fantstischen Kooperationspartnern zusammen. Auch wenn es immer auch „Tiefs“ und Krisen gab: Unterm Strich ist das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. seit 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte – und ich bin froh und dankbar, dass ich daran mitwirken darf.

1995 gehörten Sie zu einer Handvoll Leuten, die im Kiez etwas bewegen wollten. Heute sind Sie Geschäftsführer mit 170 MitarbeiterInnen. Sind Ihre sozialen Ziele heute die gleichen wie in den Gründungszeiten?

Am Anfang stand der Kiez Lankwitz-Ost im Fokus. Wir hätten nicht mal im Traum daran gedacht, dass wir ein paar Jahre später im ganzen Bezirk aktiv sein und soviele verschiedene Angebote und Einrichtungen unter unserem Dach haben würden. Am Anfang ging es um die Gestaltung des direkten Wohnumfeldes, im Laufe der Jahre wurden wir immer mehr auch „sozialer Dienstleister“. Im Mittelpunkt steht aber nach wie vor: Wir wollen mitwirken an einer bürgernahen und bedarfsorientierten sozialen Infrastruktur.

Um bürgernah und bedarfsorientiert zu arbeiten benötigen sie viele Mitstreiter. Gab’s den Moment in dem Ihnen klar wurde, dass Sie nicht mehr der einfache Sozialarbeiter, sondern auch Chef und Motivator sind, der für viele MitarbeiterInnen eine große Verantwortung trägt?

In die Rolle des Chefs bin ich nach und nach reingewachsen. Die große Verantwortung spüre ich immer, wenn die „Truppe“ mal komplett ist und ich alle  zusammen sehe – z.B. bei einem Mitarbeitertag oder der Weihnachtsfeier … Da spüre ich dann doch schon mal ganz deutlich, dass das ziemlich viele Menschen sind – es sind ja nicht nur die Mitarbeitenden, sondern ganz oft hängen da ja auch Familien dran – für die das Stadtteilzentrum die Existenzgrundlage ist.

Alle diese Menschen/Mitarbeitenden bringen verschiedene Ausrichtungen und berufliche Fachqualifikationen mit. Wie geben Sie den gemeinsamen Auftrag weiter bzw. was ist ihnen allen gemeinsam?

„Der Mensch steht im Mittelpunkt“ – das ist ein zentrales Element für unsere Arbeit. Wir wollen den Menschen helfen und ein guter Partner sein, wenn es darum geht das bestmögliche aus seinem Leben zu machen. Wir begleiten Kinder beim Aufwachsen im Kiez, bereiten sie auf ein selbstverantwortliches Leben vor. Wir unterstützen Eltern bei der schwierigen Aufgabe, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Wir sind da, wenn Menschen in Krisensituationen kommen oder mit ihren Problemen nicht mehr alleine klarkommen. „Es ist uns besonders wichtig, alle Menschen bestmöglich in ihrer persönlichen Entfaltung und Entwicklung zu unterstützen.“ – steht in unserem Leitbild.  Das ist der gemeinsame Auftrag – egal ob man Erzieher in der Kita oder im Hort, Sozialarbeiterin in der Schulstation oder Mitarbeiterin im Nachbarschaftszentrum ist. Und was auch noch ganz wichtig ist: Wir mischen uns ein, wenn es darum geht, gute Lebens-, Lern – und Aufwachsbedingungen zu fördern und zu sichern.

Gute Lebens-, Lern- und Aufwachsbedingungen zu fördern, bedeutet auch, eine gewisse Neugierde und Glaube in die Zukunft zu setzen. Wie begegnen Sie Leuten, die behaupten, früher wäre alles viel besser gewesen?

Noch mal ein Zitat aus unserem Leitbild: „Wir gehen davon aus, dass wir die Welt verändern können.“ Klingt größenwahnsinnig, ist es aber überhaupt nicht. Die Welt verändert sich jeden Tag rasant. Neue Technologien, neue Anforderungen, neue Herausforderungen. Das Leben ist heute ganz anders organisiert als „früher“… da kann es durchaus sein, dass man bestimmte Aspekte früher besser fand – nützt aber nichts für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben. Die „Welt verändern“ heisst für uns konkret: Da, wo wir können, nehmen wir Einfluss darauf wie sich die Dinge verändern sollen, in welche Richtung es gehen muss. Wir wollen, dass es gerechte Bildungschancen gibt, dass es einen gerechten Zugang zu Wissen, Bildung, Technik, gesellschaftlichem und kulturellen Leben gibt. Es geht um gerechte Chancen für Teilhabe am Leben.

„Einfluss darauf nehmen, wie sich die Dinge verändern!“ betrifft auch die Flüchtlingsarbeit, für die sich das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. spätestens seit den Weihnachtstagen 2014/2015 engagiert. Was hält Sie in dem Glauben, dass diese Aufgabe bei den hohen Zahlen der täglich ankommenden Menschen bewältigt werden wird?

Es gibt überhaupt keine Alternative. Die Menschen werden solange zu uns kommen, bis die Bedingungen in den Herkunftsländern so sind, dass es keinen Grund mehr zur Flucht gibt. Es ist unsere humanitäre Pflicht zu helfen, wenn Menschen in Not sind – egal ob sie vor Krieg, Hunger oder vor  anderem Leid geflohen sind: Bei uns sind sie willkommen. Uns geht es gut. Wir sind eines der wirtschaftlich stärksten Länder der Welt. Wieso sollten wir diese Aufgabe nicht bewältigt bekommen?

Ein Blick auf die nächsten 20 Jahre: Wie muss sich soziale Arbeit allgemein und das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. entwickeln, damit sie für künftige Aufgaben effektiv bleiben und einzelne Menschen und Familien zukunftsweisend begleiten können?

Ich bin natürlich kein Prophet – und kein Mensch kann wissen, in welche Richtung und in welchem Tempo sich die Welt weiter verändert … Und natürlich wissen wir alle nicht, welche neuen Chancen, Aufgaben und Herausforderungen diese Veränderungen mit sich bringen werden. Sicher bin ich mir nur in einem: Soziale Organisationen müssen in Zukunft noch flexibler, schneller, lösungs- und kundenorientiert sein  als heute. Digitalisierung und Globalisierung machen auch vor stadtteilbezogener sozialer Arbeit nicht halt. Schon heute sind wir damit konfrontiert, dass Probleme, die in einer fernen Ecke der Welt auftreten, hier bei uns zu neuen Aufgaben führen – Stichwort Flucht und Flüchtlingsarbeit – . Wir stehen erst am Anfang einer rasanten Veränderung der globalen Rahmenbedingungen. Das wird Auswirkungen auf unsere Arbeit haben. Dafür braucht es bestimmte Strukturen und Kompetenzen – diese Voraussetzungen zu schaffen, wird eine zentrale Aufgabe meiner Arbeit in den nächsten Jahren sein.

… abschließend die letzte Frage: Was ist ihr persönlicher Zukunftswunsch?

Gesund mit viel Spass bei der Arbeit älter werden……. Und am Ende aller Tage bin ich froh, wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen konnte, dass die Lebensbedingungen für alle Menschen hier im Bezirk bestmöglich gestaltet sind. Ich möchte in einem Gemeinwesen leben, in dem alle Menschen friedlich zusammen leben, sich respektvoll  und angstfrei begegnen und in dem jeder Mensch die gleichen Chancen auf Teilhabe und Entfaltung seiner Möglichkeiten hat. Egal woher er kommt, egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, egal ob „behindert“ oder nicht. In einem solchen Bezirk möchte ich später mal meinen Lebensabend gestalten.

Im Gespräch mit Anna Schmidt