Fachtag der Teams der Ergänzenden Förderung und Betreuung am 28.11.2014

… dass der Herr Maier seine Frau schlug und dass wir einen Fachtag veranstalteten, an dem die „EFöB-Mitarbeiter_Innen“ des Stadtteilzentrum Steglitz e.V. sich gemeinsam mit einigen Fragen der täglichen Arbeit befassten. Lassen Sie sich davon überraschen, was es hiermit und mit Herrn Maier auf sich hat!

In zwei Schülerclubs und fünf verschiedenen Schulen in Steglitz-Zehlendorf leistet das Stadtteilzentrum Steglitz e.V. mittlerweile die sogenannte Ergänzende Förderung und Betreuung (kurz: EFöB). Das heißt, dass wir mit über 40 Kolleginnen und Kollegen an mindestens sieben Standorten täglich im intensiven Kontakt mit Schülerinnen und Schülern, mit Lehrerinnen und Lehrern und ebenso mit vielen Eltern unsere pädagogische Arbeit tun. Dies macht Spaß und fordert uns täglich heraus. Insbesondere das weite Feld der Kommunikation ist hierbei eines, in dem wir alle uns ständig weiterentwickeln wollen und müssen.

Wie beginne ich ein Elterngespräch, von dem ich annehme, dass es eher schwierig werden könnte?

Wie erreiche ich es, dass Eltern, Jugendliche oder Lehrer_Innen mich als Partner ansehen, der mit ihnen Absprachen trifft und gemeinsame Ziele verfolgt?

Wie schütze ich mich vor Frustration und Erschöpfung im Beruf?

Was bedeuten Achtsamkeit und Wertschätzung für uns?

Und was ist eigentlich „Reframing“?

All diese Fragen sind für uns von großer Bedeutung. Deshalb wurden sie zum Mittelpunkt unseres ersten Fachtages der EFöB’s. Am 28.11.2014 fanden wir uns hierfür im Jagdschloss Glienicke ein. Unsere Dozentin, Angelina Rafael führte uns einen Tag lang durch verschiedene Aspekte der Kommunikation. Sie spiegelte uns, wie wir kommunizieren – sogar während wir glauben, zu schweigen.

Gleich die erste Übung des Tages machte uns bewusst, was uns im Alltag oft verloren geht. Die richtige oder einfach mal eine andere Perspektive einzunehmen. Wir blickten sitzend auf unsere Füße herab und sollten das, was wir sehen, besonders beachten. Kurz darauf wiederholten wir die Übung – allerdings stehend und mit dem Blick nach vorn. Diese „minimale Veränderung“ unserer selbst führte natürlich zu absolut veränderten Wahrnehmungen.

Nachdem auf diese Weise unsere Sinne geschärft wurden und wir uns einander vorgestellt hatten, erwartete uns auch die nächste spannende Übung. Diesmal galt es, einer fremden Person Wertschätzung entgegenzubringen. Klingt schwierig – ist es aber nicht. Zufällig wurden unter den knapp 40 Teilnehmer_Innen Paarungen gebildet, die sich quasi aus der Ferne gegenseitig in drei Stichpunkten wertschätzen sollten, für alles, was eben bekannt oder wahrnehmbar sei. So wurde bei vielen eine positive Ausstrahlung oder auch ihr besonderes Engagement in der bisherigen Diskussion gelobt. Genauso wurden aber auch besonders schöne Schals oder Pullis geschätzt. Und es ist tatsächlich so, dass es sich einfach gut anfühlt, geschätzt zu werden und andere zu schätzen, für das, was sie sind.

Nach der wohlverdienten Mittagspause im Speisesaal des Jagdschlosses widmeten wir uns vor allem dem Thema „schwierige Elterngespräche“. Wir diskutierten, was alles relevant sei, um „gute Elterngespräche“ zu ermöglichen. Vorbereitung, Ruhe, ein ungestörtes Setting und ein gemeinsames Thema, das allen bekannt ist, sind nur einige der vielen wichtigen Punkte.

Bevor wir mittels eines Rollenspiels ein solches Elterngespräch untersuchten, lernten wir noch das „Reframing“ kennen. Was anmuten könnten, wie ein Um-etikettieren, ist in Wirklich der konsequente Ansatz, Ressourcen und Fähigkeiten in Menschen und Situationen zu nutzen.

Wem es gelingt, in dem vermeintlichen „Zappelphilipp“ einen Menschen zu sehen:

  • der über enorme Energien verfügt,
  • der vielleicht körperlich anspruchsvollere Aufgaben benötigt,
  • oder der eventuell freier von unnötigen Hemmungen ist als andere,

der verfügt über wesentlich mehr und bessere Handlungsoptionen, als jemand, der schlicht eine Störung seines gegenübers annimmt, die zudem sehr schwer „behandelbar“ sei. Den eigenen, professionellen Blick dahingehend zu schärfen, dass man Ressourcen statt Mängel wahrnehmen kann, ist eine tolle Aufgabe, die uns hoffentlich zu besseren Pädagog_Innen und zufriedeneren Menschen macht.

Schärfen müssen wir unseren Blick auch immer wieder auf die unzähligen, kleinen Kleinigkeiten des Alltags. So hatten wir ja bereits festgestellt, wie wichtig ein gemeinsames Thema für den Erfolg jeder Kommunikation ist. Dass Kommunikation daran öfter scheitert als uns lieb ist, zeigt das Beispiel von Herrn Maier. Folgende Begebenheit hat uns Frau Rafael über ihn erzählt:

Neulich in der Schlange beim Bäcker:

„Haben Sie das von Herrn Maier gehört?“

„Ne, was denn?“

„Na, der soll doch seine Frau geschlagen haben.“

„Echt? Na, das wurde aber auch Zeit!“

„Das können Sie laut sagen. Nach der langen Zeit hat er’s aber auch wirklich mal verdient!“

Nachdem bei uns die erste Verwirrung einem unsicheren Schmunzeln gewichen war, fragten wir uns, wie es wohl zu diesem Gespräch gekommen sein mochte. Auf jeden Fall zeigt es deutlich, dass eine vorschnelle Bewertung der Situation oder gar der handelnden Personen hier (und auch sonst) in eine Sackgasse führt. Soviel sei verraten: Herr Maier ist kein schlechter oder aggressiver Mensch.

Das gleiche gilt für viele Eltern, mit denen wir beruflich in Kontakt kommen. Sogar aufgebrachte, laute Eltern sind in erster Linie Erziehungsberechtigte, die sich sorgen und kümmern. Manchmal sind sie auch hilflos, ratlos oder verzweifelt. Stets sind sie aber auch „Fachleute“ für ihre eigenen Kinder. Dies zu würdigen (oder: wertschätzen), ist unsere Aufgabe und setzt voraus, dass man den ersten Impuls – z.B. einen laut schimpfenden Vater – auf Ressourcen hinterfragt und den Kontext sowie das gemeinsame Thema klärt.

Ein Rollenspiel führte uns an diesem Fachtag deutlich vor Augen, dass ohne ein klar ausgesprochenes Thema immer die Gefahr besteht, über Gott und die Welt oder über Familien- und Lebensverhältnisse zu sprechen, die weit an unserer Arbeit und unseren Gesprächszielen vorbeigehen. Dieses Rollenspiel und die anschließende Auswertung bildeten dann auch unseren fröhlichen Tagesabschluss.

Um viele Anregungen und einige neue Kontakte aus anderen Projekten bereichert gingen wir alle ins wohlverdiente Wochenende. Wir freuen uns bereits darauf, aus diesem ersten Fachtag eine Serie oder gar Tradition zu machen, da sowohl der fachliche wie auch der persönliche Austausch immer hilfreich und spannend ist.

Und sollten wir mal einen Betriebsausflug planen, dann gehen wir vielleicht mit Herrn Maier Tennis spielen. Jetzt, da er nach zehn Jahren der Vereinszugehörigkeit endlich auch mal seine Gattin besiegen konnte, hat er sicher einige Tricks, die er uns dann zeigen würde.

Sebastian Unger
Projektleiter der EFöB an der 10. ISS