imme_37 Als ich überlegte, welches Thema mein Artikel für die Homepage des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. haben sollte, wurde mir ziemlich schnell klar, dass es diesmal was Persönliches sein musste. Was Erbauliches vielleicht, der Weihnachtszeit angemessen – aber es sollte nicht zu kitschig sein, trotzdem meine Liebe zu meinem Job ausdrücken, und vielleicht auch etwas lustig …

Schließlich fasste ich den Entschluss, eine Anekdote zu erzählen, die viele meiner Freunde, Bekannten und KollegInnen vermutlich schon kennen. Sie erzählt davon, wie ich nach Berlin kam, um dann hier im Kinder- und Jugendhaus Immenweg die eine Art des Glücks zu finden – nämlich das Glück, ein erfülltes (Berufs-) Leben zu haben, in dem ich auch noch meine Leidenschaft – das Filmen – sinnvoll ausleben kann. Aber dafür war auch die andere Art des Glücks notwendig – nämlich das pure „Schwein haben“, das zur-richtigen-Zeit-das-richtige-tun, einfach das Quäntchen Glück, das man manchmal braucht, damit das Leben eine bestimmte Richtung einschlägt, die man erst später als bedeutsam erkennt.

Ich lebte damals in meiner Heimatstadt Trier und arbeitete seit rund zehn Jahren in einer Heimeinrichtung für Jugendliche. Aus privaten Gründen wollte ich nach Berlin ziehen und studierte deshalb aufmerksam die Stellenanzeigen in den einschlägigen Berliner Zeitungsmedien. Dabei fiel mir die Anzeige des SzS für eine 3/4-Stelle als Erzieher in der Imme ins Auge, und dabei speziell der Passus „ungünstige Arbeitszeiten an einem wunderschönen Arbeitsplatz“. Da ich Schichtdienst gewohnt war, mich somit die „ungünstigen“ Arbeitszeiten nicht schreckten und ich ohnehin schon immer in der offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig sein wollte, bewarb ich mich natürlich auf die Stelle.

Was ich damals nicht wusste: Ich war zu spät. Die damalige Leiterin der Imme hatte die Anzeige schon länger geschaltet – es gab bereits etliche Bewerber und rund zwanzig Vorstellungsgespräche. Von den Bewerbern waren schon zwei in der engeren Wahl, und die Leiterin hatte somit die Aussicht, die freie Stelle in kürzester Zeit neu besetzen zu können. Ein weiteres Vorstellungsgespräch war demnach unnötig.

Also rief sie bei mir zuhause in Trier an, um mir mit dem Ausdruck des Bedauerns mitzuteilen, dass die Stelle leider schon vergeben sei (das erzählte sie mir später). Doch ich war gerade nicht zuhause, und das war in diesem Falle ein Glück. Ich hatte nämlich damals (Handys waren noch nicht so allgegenwärtig, Smartphones erst recht nicht) einen Anrufbeantworter, und meine Ansage darauf war doch recht speziell.

Ich sang nämlich in opernhafter Manier (seit meinem zwölften Lebensjahr hatte ich einen Nebenjob im Extrachor des Stadttheaters Trier) einen gereimten Text auf dem Gerät, der bei manchen Zeitgenossen Fassungslosigkeit hervorrief, bei anderen Belustigung – je nach Humorlevel.

Um das zu verdeutlichen, habe ich das Ding mal bei YouTube hochgeladen. Ich präsentiere meinen originalen Anrufbeantworter-Text aus dem Jahre 2002:

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Natürlich kann man das lustig finden oder einfach nur albern oder originell oder doof – ich hatte das Glück, dass die Leiterin der Imme einen Humor hatte, der sie zwei Dinge tun ließ: Zum ersten musste sie herzlich lachen, zum zweiten entschloss sie sich spontan, mich doch noch zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen – diese Einladung fand ich dann beim Abhören des Gerätes als Nachricht vor.

Der Rest ist schnell erzählt – ich fuhr in die Imme, stellte mich vor, konnte offenbar überzeugen und bekam die Stelle doch noch. Und das nur, weil ich das Glück hatte, im entscheidenden Moment nicht zuhause zu sein.

Und durch dieses Glück, dieses „Schwein gehabt“, wurde mir die Möglichkeit gegeben, die andere Art des Glücks zu finden – das Glück, nun schon seit über zehn Jahren an einem Ort arbeiten zu dürfen, der mich vollständig erfüllt, der dafür sorgt, dass ich jeden Tag gerne zur Arbeit gehe. Natürlich lief nicht immer alles perfekt in dieser Zeit, aber meine Tätigkeit in diesem Haus, die vielen Erlebnisse, diese ganze Zeit mit den Kindern und Jugendlichen, mit meinen wunderbaren Kollegen, einem tollen und verständnisvollen Geschäftsführer eines klasse Vereins – all das kam (nicht nur, aber auch) zustande durch einen kleinen Zufall und ein perfektes Timing.

Was für ein Glück!

Jörg Backes 
Projektleiter des Kinder- und Jugendhaus Immenweg