Foto: © bluedesign - Fotolia.com

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Vor 34 Jahren habe ich meine Erzieherausbildung am Oberlin-Seminar in Berlin begonnen. Damals war das Oberlin-Seminar noch in Wilmersdorf beheimatet, ein kleine Erzieherfachschule, die mich gut auf die Praxis vorbereitete und bis heute einen sehr guten Ruf genießt.

Schon während meines Anerkennungsjahres zum Erzieher konnte ich an der Entwicklung der Offenen Hortarbeit in Berlin teilhaben und dann mit meiner ersten Anstellung im Öffentlichen Dienst, im sonderpädagogischen Bereich arbeiten. Sehr häufig wurde ich von Bekannten und Freunden mit der Frage konfrontiert „Du als Mann bist Erzieher?“ und gleich danach mit der Feststellung – das ist doch kein Beruf für einen Mann, mit dem Job kannst du doch keine Familie ernähren!

In der Gesellschaft war der Begriff Kindergärtnerin oder Kindergärtner noch sehr geläufig (Die Bezeichnung Erzieherin/Erzieher finde ich auch nicht sehr gelungen – dazu später mehr) oder ich hörte die Eltern oft sagen „Geh mal zu der Tante oder dem Onkel“. Die gesellschaftliche und politische Anerkennung dieses (so tollen) Berufes war aus meiner Sicht in den achtziger bis Mitte der neunziger Jahre noch nicht sehr ausgeprägt.

Im neuen Jahrtausend änderte sich die Bildungspolitik in Deutschland und Kinder (Eltern 🙂 ) haben heute einen Rechtsanspruch auf Förderung und Betreuung  – Betreuung ist auch so ein Unwort – also Kinder werden gefördert, da Kindertagesstätten und die pädagogischen Angebote in Offenen Ganztagsbetrieb an Grundschulen (EFöB=Ergänzende Förderung und Betreuung – früher nannte man das Hort) nach dem Berliner Bildungsprogramm arbeiten. Erzieherin und Erzieher, ich möchte diese ab jetzt Pädagoginnen und Pädagogen nennen, wurden nun langsam bildungspolitisch anerkannt. 2005 als die Horte (heute EFöB) an die Schulen gingen, um so das Konzept der offenen Ganztagsgrundschule gemeinsam (Schule und freie Träger) umzusetzen, veränderte sich nochmals die inhaltliche Arbeit und ein neues Bildungskonzept etablierte sich.

Die gesellschaftliche Anerkennung (Eltern, Schule, Jugendämter etc.) vollzog sich und der Beruf der Pädagoginnen und Pädagogen veränderte sich inhaltlich und fachlich. In Berlin wurde die Ausbildungsordnung für Erzieherinnen und Erzieher – Verzeihung … für Pädagoginnen und Pädagogen – mehrfach geändert, um dem hohen fachlichen Ansprüchen in der Praxis gerecht zu werden. Heute ist die Eingangsvoraussetzung zur Ausbildung das Abitur! In der bildungspolitischen Diskussion gibt es schon die ersten Ideen die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher, verdammt, ich meine Pädagoginnen und Pädagogen, in ein Studium umzuwandeln. Das klingt doch gut – oder?

Ja und Nein – Ja, weil dieser Beruf es verdient hat und Nein, weil es aus meiner fachlichen Sicht ein Ungleichgewicht gibt. Derzeitig fehlen nach Angaben der Bundesregierung ca. 20.000 Pädagoginnen und Pädagogen allein für den Fachbereich der Kindertagesstätten. Wir erleben in allen pädagogischen Bereichen einen eklatanten Fachkräftemangel, der immer öfter dazu führt, das freie Stellen in Kitas und in der EFöB nicht zeitnahe besetzt werden können. Woran liegt das?  Werden nicht genug Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet? Doch, die Ausbildungsstätten in Berlin sind alle gut besucht, aber die Anzahl der Ausbildungsplätze reicht bei weitem noch nicht aus und selbst bei einer Erhöhung der Kapazität wären dann nicht mehr genügend Bewerberinnen und Bewerber für diesen Job da.

Wie attraktiv ist dieser Beruf? Mit einem Abi kann ich doch auch gleich soziale Arbeit oder auf Lehramt studieren. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass eine Erzieherin, ein Erzieher im Schnitt bei einer Vollzeitstelle 2.400-2.500 Euro Brutto verdient – eine Lehrerin*, ein Lehrer* 4.222 Euro Brutto*. Beide Berufsgruppen sind Pädagoginnen und Pädagogen und haben einen Bildungsauftrag. Egal, ob in der Kita, der EFöB oder in anderen sozialen Bereichen – der Auftrag ist klar – Bildung und Förderung, Unterstützung und Hilfe, aber die Gleichstellung der Pädagoginnen und Pädagogen ist nicht gegeben. Deshalb rede ich in diesem Artikel auch nicht von Erzieherinnen und Erziehern, sondern von Pädagoginnen und Pädagogen, da diese zwar fachlich einem anderen Bildungsauftrag als in der Schule nachkommen, aber genau so gut qualifiziert sind! In anderen europäischen Ländern, z.B. in Frankreich, hat der Staat verstanden in die Bildung zu investieren und der Staat hat für die Kinder eine nachhaltige Bildung geschaffen. So sind in Frankreich „Erzieherinnen und Erzieher“ Lehrern gleichgestellt – auch finanziell!

In Berlin fordern Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände in den Verhandlungen zu den Rahmenverträgen immer wieder eine bessere Personalbemessung, bessere Rahmenbedingungen in Schule und Kita. Das ist sehr berechtigt, da auch an dieser Stelle noch einige Defizite zu beheben sind, um den Kindern eine bestmögliche Förderung und Bildung zu ermöglichen.

Mein Fazit – ich möchte mich dafür einsetzen (endlich) eine Gleichstellung der Pädagoginnen und Pädagogen bildungspolitisch umzusetzen. Das Thema Bezahlung darf meines Erachtens dabei nicht ignoriert werden! Ich fordere Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände auf, dieses Thema einzubringen und in zukünftige Verhandlungen mit einfließen zu lassen. Ja, zugegeben – das wird „teuer“, aber Bildung ist eine Investition in unsere Zukunft, in unsere Kinder, für eine demokratische und gebildete Gesellschaft.

Andreas Oesinghaus
Arbeitsbereichsleiter schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit

*Quelle: https://www.berlin.de/sen/bildung/lehrer_werden/einstellungen/