DSC08215Als ich vor etwa 20 Jahren nach Berlin zog, sagte ein Bekannter zu mir, dass der „normale“ Berliner seinen Nachbarn nicht kennt. Was er damals mit „normal“ meinte, habe ich bis heute nicht herausgefunden. Zu dem Statement, dass der Berliner seinen Nachbarn nicht kennt, kann ich aus heutiger Sicht nur sagen: „Weit gefehlt!“.

3.419.623 Einwohner hatte Berlin im November 2013. Die alle zu kennen, wäre natürlich etwas anstrengend. So gehen wir lieber in die Bezirke direkt, den Stadtteil und den unmittelbaren Kiez. Dies ist eins der Dinge, die Berlin so faszinierend macht. Jeder Kiez hat seinen eigenen Flair, eine eigene Atmosphäre, ein bestimmtes Publikum und natürlich auch Schwächen. Steigt man in die U-Bahn und steigt am anderen Ende der Stadt wieder aus, begegnet man einem völlig anderem Stadtbild. Das sind die Äußerlichkeiten. Spannend wird der Blick auf die Bewohner.

Berlin ist multikulturell und gerade darin liegt der besondere Reiz, auch wenn es immer noch Menschen gibt, die das nicht realisiert haben. Diese Stadt lebt von der Unterschiedlichkeit, den Nationalitäten, der Andersartigkeit der Menschen. Am besten erkennt man dies, wenn man an warmen Sommertagen in die unzähligen Parks und an die vielen Plätze geht, an denen sich die Menschen begegnen. Lässt man sich darauf ein, erntet man einen ungeheuren Gewinn in jeglicher Hinsicht.

Diese Vielfalt und diese ungeheure Menge an Menschen braucht besondere Obhut, unabhängig von den Erfordernissen die behördliche Stellen zu meistern haben. Es ist eben keine „Menge Mensch“ – es sind 3.419.623 Individuen. Dem haben sich viele Verbände und eine wirklich enorme Zahl an freien Trägern, wie zum Beispiel die Stadtteilzentren angenommen. Besondere Größen in der Landschaft der Verbände sind in Berlin „Der Paritätische Berlin“, der „Verband für sozial-kulturelle Arbeit“ und „Das Berliner Bündnis für Familien“, denen sich freie Träger anschließen und so den sozialen Auftrag koordinieren, fördern und politisches Gewicht geben. Ein Blick in das Spektrum der Mitglieder dieser Verbände ist imponierend, da so klar wird, wie facettenreich diese Arbeit ist. Kinder- und Jugendeinrichtungen, Nachbarschaftshäuser, Selbsthilfekontaktstellen sind nur einige Beispiele, was hier den Menschen, den Nachbarn, geboten wird. Allen gemeinsam ist eins – die Menschen zusammenzubringen, Austausch zu fördern, Alleinstehende und Familien zu unterstützen und eben dem Nachbarn ein Gesicht zu geben.

Menschen zusammenzubringen – wie geht das besser als mit einem Fest? Am 24. Mai wurde in Berlin viel gefeiert, denn zwei große Events wurden koordiniert. Das 1999 in Frankreich ins Leben gerufene „Fest der Nachbarn“ wurde schon 2012 in 32 Ländern gefeiert. In diesem Jahr waren erneut zwölf Berliner Bezirke beteiligt und die Unterschiedlichkeit der Angebotspalette hatte alles zu bieten, was Spaß, Gemeinsamkeit und Austausch fördert. Nahtlos ging das Fest in die „4. Lange Nacht der Familien“ über. Bis Mitternacht konnten Familien am 150 Angeboten in ganz Berlin teilnehmen. Ein Blick auf die Internetseiten verrät, was man alles erleben konnte und lässt die Vorfreude auf die Aktionen im kommenden Jahr wachsen.

Ein Beispiel für das Fest war der „Mitternachtströdel im Gutshaus Lichterfelde“. Das Gutshaus Lichterfelde steht seit 1999 unter Trägerschaft des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. Die Kita im Haus und das Nachbarschaftscafé machen das Gutshaus zu einem Treffpunkt für Familien und Nachbarn im unmittelbaren Umfeld. Bei dem Mitternachtströdel durfte jeder mitmachen, der seinen eigenen Tisch mitbrachte und einen Kuchen für die Allgemeinheit spendete. Im diesem Jahr war die Sonne dem Fest gewogen, so dass schon der Aufbau mit viel Vorfreude und gegenseitiger Hilfe vonstattengehen konnte. Besucher, die vom Spaziergang aus dem Park oder direkt zum Fest kamen, konnten gemütlich beim Trödel stöbern, Kuchen oder eine Grillwurst essen. Es wurde gehandelt, man konnte sich austauschen, diskutieren, erzählen, kennenlernen, gemeinsam lachen und überall den lustigen Spielen der Kinder zuschauen. Das ist gelebte Nachbarschaft, die mit einem Lagerfeuer in der Mitte ihr Ende fand. Diejenigen, die sich beim Bäcker, beim Einkauf oder im Nachbarschaftscafé in den nächsten Tagen wieder begegnen, werden sich garantiert ein Lächeln schenken. Gemeinsame Feste schaffen Verbundenheit, Nähe und Vertrauen.

Auch im privaten kenne ich meine Nachbarschaft sehr gut. Gegenseitige Akzeptanz und Hilfe ist an der Tagesordnung, ein freundliches Grüßen, ein nettes Gespräch immer gegeben. Die nachbarschaftliche Arbeit, die von den freien Trägern geleistet wird, habe ich überhaupt erst in Berlin kennengelernt. Lässt man sich darauf ein, wird diese große Stadt doch sehr menschlich und bekommt ein freundliches Gesicht.

Anna Schmidt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Stadtteilzentrum Steglitz e.V.