Vor einiger Zeit sprach mich eine noch in Ausbildung befindliche Mitarbeiterin am Rande einer TeamsprecherInnen-Runde an. Sie bräuchte für die Schule das Leitbild unseres Vereins. Ob ich ihr das bitte mal mailen würde … Ups –  kalt erwischt … In den ersten 18 Jahren unseres Bestehens haben wir es nicht geschafft, ein Leitbild zu erarbeiten … – und irgendwie ging’s auch immer ohne. Diese Blöße wollte ich mir aber nicht geben – und sagt ihr zu, dass ich ihr „da mal was zuschicken würde …“ In der Folge habe ich mit einer Kollegin zusammen versucht, im Eiltempo ein Leitbild zu erarbeiten. Wir nahmen uns ein paar Muster von befreundeten Organisationen vor, kopierten, schrieben ab, ergänzten und kürzten und  fügten noch  ein paar vorhandene Textbausteine aus vorliegenden Texten ein. Das ganze schön in Form gebracht – machte eine prima Eindruck. Wir hatten ein Leitbild!

DSC07931 Das ganze Werk (1 DIN A 4 Seite) mailte ich an die Kollegin – und freute mich, eine scheinbar komplizierte Aufgabe so schnell erledigt zu haben … Siegesgewiss stellte ich unser neues Leitbild auch gleich in unser internes Firmennetzwerk ein.

Als ich die Kollegin, dass das nächste Mal traf, fragte ich (mit meinem berühmten Siegerlächeln im Gesicht), ob sie das Leitbild erhalten und in der Schule vorgestellt hätte. Sie sah mich unsicher an, druckste ein bisschen herum … … … und antwortete dann sinngemäß: Ja ist angekommen – aber sie  habe es in der Schule nicht abgegeben. „War mir peinlich.“ … Ups. Schon wieder kalt erwischt. Alles zu allgemein, hat nicht mit uns, nichts mit unserem Verein zu tun. Sie findet sich darin nicht wieder. Sieht aus, wie irgendwo abgeschrieben … Ups. Das dritte mal kalt erwischt …

Ich fragte in unseren interenen Runden nach, wie die Kolleginnen und Kollegen das sehen würde. Gleiche Reaktion. „Lauter Selbstverständlichkeiten“, „hat nichts  mit uns zu tun“, „alles austauschbar“, „hat keine Seele“ … Die MitarbeiterInnen waren nicht zufrieden. Und sie meldeten an, dass sie beteiligt werden möchten an der Entwicklung eines Leitbildes …

Nach dem ich mich von diesem  Feedback erholt hatte, habe ich mir den ganzen Prozess nochmal angeschaut – und eingesehen: Hier ist alles falsch gelaufen. Ein Leitbild, das seinen Namen verdient, kann nicht von zentral formuliert und dann zur Kenntnisnahme von „oben“ nach „unten“ durchgereicht werden. Ein Leitbild muss von allen Beteiligten gemeinsam entwickelt, erarbeitet, gelebt werden.  Stephen R. Covey*  hat (natürlich) recht: „Ein Leitbild ist nichts, was man über Nacht niederschreiben könnte. Es bedarf der tiefen Einsicht, sorgfältiger Analyse, überlegten Ausdrucks und oft vieler Fassungen, bis die endgültige Form erreicht ist. Es kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern, bis Sie sich damit ganz wohl fühlen, bis Sie spüren, dass Sie einen vollständigen und genauen Ausdruck Ihrer innersten Werte und Richtungen gefunden haben. (….) Der Prozess ist meiner Meinung nach so wichtig wie das Produkt.“ Habe ich verstanden.

Wir haben in der Folge eine interne AG eingerichtet, die aus MitarbeiterInnen aller Ebenen unseres Vereins besteht. Und in dieser AG haben wir beschlossen, einen Prozess in Gang zu setzen, der alle MitarbeiterInnen mitnimmt.

Auftakt war  ein Workshopam letzten Freitag, also am 23. Mai.  Mit 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (die sich alle freiwillig gemeldet haben) haben  wir uns in einem kleinen Tagungshotel am Rangsdorfer See  „eingeschlossen“ und uns –  angeleitet und moderiert durch den geschätzten Hamburger Kollegen Thorsten Visbal – auf den Weg gemacht …

Der Tag war aufregend – und anregend. Wir haben hochkonzentriert gearbeitet. Unsere zentralen Werte, Ziele und unsere Mission formuliert – und hierbei bei allen Beteiligten (egal in welchem Bereich sie arbeiten und wie lange sie schon bei uns sind) ein unglaubliches Ausmaß an Übereinstimmung festgestellt.

In einer nächsten Runde werden wir nun die Ergebnisse in der internen AG Leitbild zusammenfassen und aufbereiten und dann in die einzelnen Teams unseres Vereins geben, damit dort ein erster Entwurf unseres neuen Leitbildes diskutiert, kritisiert, überarbeitet und  ergänzt werden kann. Ein spannender Prozess, der da jetzt begonnen hat. Wir wissen noch nicht genau, was am Ende konkret herauskommen wird. Aber wir wissen jetzt schon ganz genau: Es wird gut!

Thomas Mampel ist Geschäftsführer des Stadtteilzentrum Steglitz e.V.; er bloggt auf www.mampel.de