… was jede(r) von uns tun kann um die Welt ein klein bisschen friedlicher zu gestalten

Wer heute Nachrichten sieht, hört oder liest, erfährt täglich über das unendliche Leid von Menschen, die aus ihren kriegs- und krisengebeutelten Heimatländern flüchten mussten. In vielen Gebieten der Erde bekämpfen sich die Menschen aus unterschiedlichsten Gründen. Eltern verlieren ihre Kinder, Kinder verlieren ihre Eltern, das Leid wächst ins Unermessliche.

Vor dem Hintergrund diverser Medienberichte habe ich mich – aus dem Aufgabengebiet der Gewaltprävention kommend – intensiv mit dem Thema Gewalt auseinander gesetzt. Vor allem die Frage „Wie lässt sich Gewalt – ob auf individueller oder gesellschaftlicher Ebene – vermeiden?“ interessiert mich sehr. Die Gesellschaft zu verändern und Weltfrieden zu schaffen ist aber ein utopisches, für das einzelne Individuum unerreichbares Ziel. Was aber können wir alle tun, um einen kleinen Beitrag zu einer friedlicheren Welt zu leisten?

Marshall B. Rosenberg – ein US-amerikanischer Psychologe – entwickelte das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Rosenberg versteht Gewaltfreiheit dabei im Sinne Gandhis und meint damit unser einfühlendes Wesen, das sich wieder entfaltet, wenn die Gewalt in unserem Herzen nachlässt. „Die GFK gründet sich auf sprachliche und kommunikative Fähigkeiten, die unsere Möglichkeiten erweitert, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich zu bleiben.“ (Rosenberg).

Die GFK ist eine Methode, die laut Rosenberg „simple, but not easy – einfach, aber nicht leicht“ ist. Sie besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten (Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse, Bitten), die auf zwei Ebenen eingesetzt werden: 1. sich mit Hilfe der vier Komponenten ehrlich ausdrücken, 2. mit Hilfe der vier Komponenten empathisch zuhören.

Die vier Komponenten der GFK:

  1. Beobachtungen: Wir beobachten, was in einer Situation tatsächlich geschieht und teilen diese Beobachtungen ohne Bewertung mit.
  2. Gefühle: Wir kommunizieren, wie wir uns fühlen, wenn wir diese Handlung beobachten.
  3. Bedürfnisse: Wir sagen, welche unserer Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen stehen.
  4. Bitten: Wir formulieren ganz klar eine sehr spezifische Bitte.

Die hohe Kunst in diesem Kommunikationsprozess ist es, Beobachtungen wirklich wertfrei zu kommunizieren und Gefühle, Bedürfnisse sowie Bitten klar und empathisch auszudrücken. Vor allem in Konfliktsituation fällt es den meisten von uns schwer, einen kühlen Kopf zu behalten, sachlich zu bleiben und sich an die GFK zu halten. Aber Übung macht den Meister und wenn wir die GFK in unseren Alltag integrieren, wird es uns auch in Konfliktsituation immer leichter fallen, diese anzuwenden.

Auch mit Kindern kann die GFK wunderbar geübt werden. Hierfür wurde das Konzept der Giraffen- und Wolfssprache entwickelt.

Die Giraffe hat das größte Herz aller Landtiere. Sie braucht ein so großes Herz um das Blut durch den langen Hals bis in ihr Gehirn zu pumpen. Die Giraffe lebt friedlich mit anderen Tieren zusammen. Sie hat einen langen Hals und kann von oben vieles sehen und beobachten, was anderen Tieren verborgen bleibt. Da die Giraffe mit ihrem langen Hals dort frisst, wo andere Tiere nicht ran kommen, nimmt sie keinem Tier etwas weg und es gibt keinen Streit mit der Giraffe. Sie kann mit allen Tieren friedlich zusammenleben.

Deshalb wird von der Giraffensprache gesprochen, wenn Menschen ein großes Herz haben, wenn sie offen und freundlich mit anderen sprechen und Verständnis für andere zeigen. Eine Giraffe sagt dem anderen, was sie stört, ohne ihn zu beleidigen. Sie sagt, was sie fühlt und sie sagt deutlich, was sie wünscht. Sie formuliert eine Bitte oder einen Wunsch.

Wölfe hingegen haben kein so großes Herz wie Giraffen. Sie haben auch nicht den Überblick, den Giraffen haben. Wenn Wölfe wütend sind oder Angst haben, dann knurren sie, schnappen zu und verletzten andere in irgendeiner Weise. Wir sprechen daher von der Wolfssprache, wenn die Kommunikation aus Ängsten, Enttäuschungen und Wut entstammt. Wölfe tun anderen mit ihren Worten weh. Sie sprechen schlecht über andere und lassen dem anderen mit ihren Worten keine Wahl („Du bist böse. Ich habe recht.“) Wölfe reden voller Wut und suchen streit.

Wer von klein auf übt sich auch in Streit- und Konfliktsituationen der Giraffensprache zu bedienen, dem wird es auch als Erwachsener leichter fallen, diese anzuwenden.

Die GFK ist kein Allheilmittel gegen die Kriege und Krisen unserer Welt. Sie ist lediglich eine Methode, die jedes Individuum anwenden kann um seine eigene kleine Umwelt friedlicher zu gestalten. Auch wenn es uns nicht immer gelingen mag sie anzuwenden, so können wir doch alle stets daran arbeiten, die GFK in unseren Alltag zu integrieren und somit zu unseren einfühlsamen Wesen zurückzufinden. Denn wie ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“

Saskia Valle
Projektleiterin der EFöB an der Grundschule am Insulaner

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(Wer mehr über die GFK erfahren möchte, dem sei das Buch „Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens“ von Marshall B. Rosenberg empfohlen. Im „Trainingsbuch Gewaltfreie Kommunikation“ von Ingrid Holler finden Sie außerdem abwechslungsreiche Übungen für Selbststudium, Seminare und Übungsgruppen.)