altlankwitzer_5 Graffiti-AG an der Alt-Lankwitzer Grundschule

Am Donnerstag, den 7.11.2013, besuchte ich erstmals die Alt-Lankwitzer Grundschule. Der Grund meines Besuchs war der Auftakt des Projektes „Kids-4-Kids“ an dieser Schule. Das Ziel von „Kids-4-Kids“ ist es, dass Kinder sich selbst gegenseitig in einer Sache trainieren und zu Experten auf ihrem Gebiet werden. Erwachsene „Profis“ stehen ihnen dabei eher beratend als belehrend zur Seite. Als ein solcher „Profi“ wurde ich eingeladen, eine kleine Graffiti-AG zu betreuen.

Obwohl ich mir sicher bin, pünktlich gewesen zu sein, erwartete mich ein Junge bereits vor der Schule, um mich in den richtigen Raum zu führen. Dort angekommen freute ich mich sofort über die freundliche Atmosphäre in den Räumen des Schülerclubs an der Alt-Lankwitzer Grundschule und den sehr liebevoll vorbereiteten Zeichentisch, an dem wir uns nun wöchentlich treffen würden. Die drei Jungs, die an dieser AG teilnehmen, waren bereits alle da und freuten sich ebenfalls, dass es nun endlich losgehen würde.

Um zu sehen, was sie bereits an künstlerischen Fähigkeiten mitbringen und um sie mit ihren Namen ansprechen zu können, bat ich sie, sich Namensschilder zu malen. Als nach etwa 40 Minuten fünf Namensschilder den Tisch zierten – KADDY, die Mitarbeiterin und ich hatten natürlich auch welche gezeichnet – war ich zum ersten Mal schwer beeindruckt. Jedes Bild unterschied sich grundlegend von den anderen. Man kann sagen, jedes Bild hatte seinen eigenen „Style“. Marian hatte seinen Namen in mehreren grellen, sehr harmonischen Farben gemalt, Julian mit Bleistift in dreidimensionalen Figuren und Benny hatte besonderen Wert auf den Hintergrund gelegt, der aus zersplittertem Glas zu bestehen schien.

Die verbliebene Zeit nutzten wir nun, um gemeinsam die Bilder zu betrachten und erneut machten die drei mich fast sprachlos. Genauso konzentriert, wie sie bereits gezeichnet hatten, setzten sie sich nun wertschätzend und kritisch mit allen Bildern auseinander. Als nun galt einen Coach auszumachen, der – wie es das Projekt vorschreibt – die anderen anleitet, stellte sich rasch heraus, dass jeder von ihnen für ein bestimmtes Element im Graffiti der Fachmann sein sollte. Sie selbst erkannten, dass Marian offenbar das beste Farbgefühl und auch gute Ideen für die Anordnung von Farben innerhalb eines Graffiti-Schriftzuges hat. Julian hingegen wurde als Fachmann auf dem Gebiet der „3D“, also des räumlichen Zeichnens, ausgemacht. Er beherrscht offenbar die Kavalierperspektive für Würfel – im Mathematikunterricht – ebenso wie für Buchstaben. Dass Benny der Fachmann für Hintergründe und für spezielle Effekte wird, war auch sofort „glasklar“. Die Lust am Zeichnen und die Fähigkeit, Gesehenes wertschätzend in Worte zu fassen, begeistern mich seitdem immer donnerstags.

Nachdem wir bisher stets Bilder gezeichnet hatten, die am Ende des Tages fertig waren, wagen wir uns nunmehr bereits an komplexere Entwürfe. Vorletzten Donnerstag schlug ich vor, Berlin-Bilder zu malen. Es entspann sich ein Gespräch, das mit recht auch Brainstorming genannt werden darf. Wir überlegten gemeinsam, welche Elemente in so ein Berlin-Bild gehören könnten, welche Farben dazu passen würden und auch wie die Komposition auf dem Blatt sein könnte. Schließlich sollte – nach Ansicht der drei Fachleute – ein großer Schriftzug „BERLIN“, eine teilweise bröckelnde Hauswand, eventuell Autos und unbedingt eine Skyline von Berlin mit Fernsehturm und Brandenburger Tor zu sehen sein. Unterschiedliche Ansichten gab es darüber, ob die Skyline als „Füllung“ der Buchstaben oder als Hintergrundelement am besten wirken würde. Ebenso konkurrierten ein blauer Tageshimmel mit weißen Wolken und der Sonnenuntergang als Farbmuster und Stimmung des Bildes. Solche Gespräche sind für auch mich als erfahrener Graffiti-Sprüher unglaublich spannend. Es ist schier beeindruckend, wie kreativ und unbelastet von gesehenen Bildern hier Ideen entwickelt wurden. Diese Ideen wurden dann schließlich als Bleistiftskizzen zu Papier gebracht. In den nun folgenden zwei bis drei Wochen werden wir aus unseren Ideen – die nun schon Skizzen sind – Entwürfe und dann fertige Bilder machen, die wir auch gern ausstellen werden. Dafür werden sie ausgemalt, Hilfslinien weg radiert und mit ruhiger Hand die Umrandungen aller Bildelemente nachgezeichnet.

Eine solche Ausstellung ist einer der Wege, wie dieses Projekt dokumentiert wird. Parallel werden alle „Kids-4-Kids“ Arbeitsgemeinschaften, von Jörg Backes (Projektleiter im Kinder- und Jugendhaus Immenweg) auch filmisch begleitet. Dank der MitarbeiterInnen im Schülerclub der Alt-Lankwitzer Grundschule, Katharina Hartwich, Merlin Ahlen-Klan und Katrin Hemmerling sowie der engagierten Mutter Petra Dannenberg, umfasst das Projekt „Kids-4-Kids“ nämlich noch weit mehr als nur die Graffiti-AG, an der ich selbst teilnehme. Breakdance, Kugellaufen, Koch-AG, Theater und Film! In all diesen Bereichen haben sich Gruppen von jeweils circa drei Kindern zusammengefunden, die gemeinsam in ihren Arbeitsgemeinschaften die eigenen Fertigkeiten schulen und sich gegenseitig stärken und bestärken.

Da dieses Projekt Teil des „Ich kann was! -Initiative für Kinder und Jugendliche“ der Deutschen Telekom ist, konnten sogar Mittel beantragt werden, um die einzelnen Arbeitsgemeinschaften mit Material auszustatten. Für meine drei Graffiti-Fachmänner freue ich mich daher schon auf den Moment, wenn wir mit echten Farbspraydosen – die aus Projektmitteln finanziert werden – ein echtes Graffiti auf dem Schulgelände der Alt-Lankwitzer Grundschule sprühen werden.

Im späten Frühjahr 2014 werden wir sicherlich an dieser Stelle davon berichten.

Sebastian Unger
Projektleiter EFöB an der 10. ISS