Interview mit Toni Mampel und Anke Eichner

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Im August 2013 feierte das Stadtteilzentrum Steglitz einen runden Geburtstag: Das Kinder-, Jugend und Nachbarschaftszentrum KiJuNa in Lichterfelde Süd gehört seit 10 Jahren zum Verein. Vorher wurde die „Osdorfer“ als Jugendfreizeitheim in bezirklicher Trägerschaft betrieben. Toni Mampel und Anke Eichner waren Projektleiterinnen der „ersten Stunde“ – Toni Mampel zuständig für den Kinder- Jugend- und Nachbarschaftsbereich, Anke Eichner für den Aufbau und die Entwicklung der Kita im Haus. In diesem Interview blicken sie auf 10 Jahre „KiJuNa“ zurück.

SZ: Was waren die größten Herausforderungen für Eure jeweiligen Arbeitsbereiche, als das Stadtteilzentrum die Arbeit in der „Osdorfer“ im August 2003 aufgenommen hat?

Toni Mampel: Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass der Anfang von unglaublich vielen Vorbehalten und Skepsis auf Seiten der Mitarbeiter des Bezirksamtes und einiger Besucher des Hauses geprägt war. Die Jugendarbeiter des Bezirksamtes waren ja die ersten Jahre noch vor Ort und es war ein ganz schön hartes Stück Arbeit, sich auf eine gemeinsame Konzeption zu verständigen. Vieles musste komplett neu gestaltet und organsiert werden. Da mussten einige „alte Zöpfe“ abgeschnitten werden.

Anke Eichner: Der Zustand der zukünftigen Kitaräume, genauer gesagt, der Zustand des gesamten Hauses war für mich die größte Herausforderung. Viele Räume wirkten wie schon vor Jahren verlassen und aufgegeben. Sie waren in einem absolut bedrückenden und stark renovierungsbedürftigem Zustand. So hat es mehrere Wochen gedauert, bis wir die Kitaräume so verändert hatten, dass wir die Kinder entsprechend unseres Anspruches in einer freundlichen, geborgenen Atmosphäre betreuen konnten. Der Kitabetrieb wurde deshalb erst zum 17. November 2003 aufgenommen.

SZ: Gab es positive und/oder negative Überraschungen in der Startphase? Was waren die ersten Neuerungen, die Ihr eingeführt habt?

Anke Eichner: Positiv war, dass die Kita in ihrer Belegung und so auch mit der Aufstellung des Teams langsam wachsen konnte. Die großzügigen Innen- und Außenflächen stellten sich als perfekte Voraussetzung für eine Kita dar. Kinder, die in zunehmend engen Wohnverhältnissen groß werden, fanden bei uns einen optimalen Ausgleich, um ihrem Bewegungsbedürfnis nachzugehen. Der Kontakt zum benachbarten Kinder- und Jugendgesundheitsdienst und den naheliegenden Grundschulen konnte schnell aufgebaut werden. Insgesamt hat sich die Kita mit allen notwendigen Strukturen und Prozessen schnell aufgestellt.

So gab es schnell wertvolle Alltagsgestaltungen wie z.B. ein Frühstücksangebot, das Kitaturnen, erste Feste und eine Kitaübernachtung. Vielleicht nicht gerade überraschend aber sehr schnell sehr klar war, dass die Öffnungszeiten erweitert werden mussten. Dieser Prozess, die Öffnungszeiten am Bedarf der Eltern auszurichten, hält übrigens bis heute an. Seit Mitte August diesen Jahres ist die Kita von 6.30 – 18.30 Uhr geöffnet.

Toni Mampel: Ich war überrascht, dass dieses große Haus mit seinem tollen Außengelände nur von einer relativ kleinen Gruppe – meist älterer männlicher – Jugendlicher und junger Erwachsener genutzt wurde und dass diese weitestgehend die Regeln im Haus bestimmt haben. Sie bestimmten, wer rein durfte und wer nicht, Mädchen waren quasi ausgeschlossen. Es galt das „Recht des Stärkeren“. Dem wollten wir etwas anderes entgegensetzen: Wir wollten ein Haus, dass „Offen für Alle“ ist und dem sich auch Kinder und jüngere Jugendliche wohl und vor allem sicher fühlen konnten. Besonders wichtig war mir, dass auch Mädchen Zugang zu den Angeboten im Haus haben … dass ist mittlerweile gar kein Thema mehr. Vor zehn Jahren war das ein schwieriges Thema.

SZ: Wie hat das Umfeld auf die Veränderungen und die vielen neuen Ideen und Angebote reagiert?

Toni Mampel: Die „alteingessenen“ Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren alles andere als begeistert. Sie beschimpften das Team und ganz besonders ich als Leiterin wurde oft auch persönlich auf´s heftigste beleidigt. Besonders als wir im Haus ein absolutes Rauchverbot durchgesetzt haben, kochte die Stimmung teilweise ganz schön hoch. Was uns motiviert hat, war der Zuspruch und die Unterstützung durch die Nachbarschaft: Viele Eltern zeigten Solidarität und unterstützten die Öffnung des Hauses. Sie kamen mit ihren Kindern, engagierten sich ehrenamtlich bei Festen und Projekten und machten Werbung für uns im Kiez. Aber das war ein sehr dickes Brett, das wir da bohren mussten – und teilweise immer noch müssen.

Anke Eichner: Es hat aus meiner Sicht gut zwei Jahre gedauert, bis wir im Umfeld bekannt waren und wahrgenommen wurde, dass ein frischer Wind im Haus weht. Skeptisch fühlten wir uns von den naheliegenden Kitas beäugt und konnten diese Vorbehalte nur langsam in den Gremien auflösen. Die Verbindung von Kita und dem offenen Bereich der Nachbarschaftsarbeit mit Kinder- und Jugendarbeit schien die Eltern zunächst wenig zu interessieren. Mit dem Erleben der gemeinsamen Feste, dem Älterwerden der Kinder und wie diese dann die Angebote im offenen Bereich nutzten, trotz deren Wechsel in die Schule, stieg die Wertschätzung für das Konzept des Hauses mit all seinen Angeboten und Ideen.

SZ: Was waren die größten Höhepunkte, was waren die größten Niederlagen in den letzten 10 Jahren bezogen auf Eure Arbeit im KiJuNa?

Anke Eichner: Die Sanierung des Hauses mit Mitteln des Umweltentlastungsprogrammes war der sichtbarste Höhepunkt. 500.000.- € wurden investiert, um das Haus auf „Vordermann“ zu bringen. Das Haus erstrahlte in neuem Gewand. Gepflegte Fassade, neue Fenster und ein Dach, das nun auch stärkeren Regenfällen stand hielt. Ebenso gehörten stets die gelungenen Übergänge der Kinder zu den Höhepunkten. Der Übergang der Kinder von der Familie in den erweiterten Lebensalltag Kita. Im Zuge ihres Älterwerdens der Übergang innerhalb der Kita in die nächste Gruppe und schließlich der Übergang in die Schule. Schön war stets, wenn wir diesen Kindern dann wieder im Haus begegnen und sie den offenen Kinder- und Jugendbereich nutzten. Die größten Niederlagen waren die Einbrüche und Vandalismus, Übergriffe auf das Haus. Bis heute unverständlich ist, wie Menschen einem Ort für Kinder – und Jugendliche, der diesen einen geschützten, geborgenen Raum geben soll, solchen emotionalen und finanziellen Schaden zufügen konnten.

Toni Mampel: Der größte Erfolg ist für mich, dass das Haus jetzt wirklich ein offenes und lebendiges Zentrum im Kiez geworden ist: Es kommen viele Kinder und Jugendliche aller Nationalitäten, Jungs und Mädchen, Grund- und Oberschüler. Es ist schön zu sehen, wie die Kinder und Jugendlichen das „KiJuNa“ als Raum für sich nutzen. Darüber hinaus ist es gelungen ein Kinderrestaurant – das „KiReLi“ – und das „Klamöttchen“ im Haus zu etablieren. Beim Aus- und Umbau des Untergeschosses haben übrigens auch Mitarbeiter von „Rolls- Royce“ ehrenamtlich geholfen! Viele Jahre war das Haus auch Lebensmittel- Ausgabestelle des Projektes „Laib und Seele“ – seit dem Frühjahr diesen Jahres mussten wir diese Projekt aber aus Platzgründen wieder an die Kirchengemeinde „zurückgeben“. Große Erfolge waren natürlich auch die tollen Ferienprojekte und die tollen Stadteilfeste, die wir auf unserem Gelände und auf dem Scheelemarktplatz organsiert haben – oft übrigens mit sehr großzügiger Unterstützung der Wohnungsbaugesellschaft GSW. Ein absoluter Tiefpunkt war natürlich der Brandanschlag in der Silvesternacht 2012/2013. Das hat nicht nur uns, sondern vor allem auch die Kinder hier sehr schockiert.

SZ: War Eure Arbeit in den letzten 10 Jahren erfolgreich? Und wenn ja: Woran macht Ihr das fest?

Toni Mampel: Das Haus ist voll und lebt. Das ist der größte Erfolg und die wichtigste Bestätigung unserer Arbeit. Für jedes Kind, für jeden Jugendlichen engagieren wir uns mit zahlreichen Angeboten und Projekten. Musik, Bewegung, Bildung. Spaß. Alles passt – und die Rückmeldungen von allen Seiten sind positiv und motivierend.

Anke Eichner: Eindeutig ja, die Arbeit war erfolgreich. Die Kita „Lichterfelder Strolche“ ist inzwischen im ganzen Bezirk bekannt, ehemalige Eltern und Kinder melden uns in ihren Besuchen zurück, wie sehr sie schätzen, was sie hier erleben durften. Auch die Externe Evaluation bestätigte uns, dass wir auf dem nicht endenden Entwicklungsweg, eine erfolgreiche Bildungs- und Betreuungsarbeit leben und die Ansprüche sehr gut erfüllen. … Ach ja, und woran ich es auch noch fest mache … trotz der unzähligen Kitas in direkter Nachbarschaft, wir sind immer noch hier, inzwischen größer, bunter und vielfältiger.

SZ: Mittlerweile haben jüngere KollegInnen Verantwortung für die Leitung des Hauses übernommen: Heike Steinitz ist seit rund zwei Jahren Leiterin der Kita Lichterfelder Strolche im KiJUNa, Kristoffer Baumann ist Projekteiter im Kinder- und Jugendbereich des Hauses. Was gebt Ihr den beiden mit auf den Weg?

Anke Eichner: Heike hat im August 2011 die Leitung übernommen. Sie war mit Start der Kita die erste „Fronterzieherin“ und in all den Jahren entscheidend an der Entwicklung des Projektes beteiligt. Ich wünsch ihr, dass sie sich weiterhin die Leidenschaft und Ausdauer für ihre Arbeit in dieser Kita, für die Kooperation mit dem Projektleiter des KiJuNa im Haus und für die Kontakte im Sozialraum bewahren kann. Gemeinsam stark sein …

Toni Mampel: Ich wünsche Kristoffer, dass es ihm weiterhin immer gut gelingt, den Kindern Orientierung und Unterstützung zu bieten. Er trägt das Herz auf dem „rechten Fleck“ – das ist ein wichtige Voraussetzung, wenn man es mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat. Dann kann es gelingen, dass Kinder und Jugendliche bei uns was gutes für ihr späteres Leben mitnehmen – ohne dass wir sie in der Entfaltung ihrer Möglichkeiten begrenzen. Mit seinen Fähigkeiten und seinem Engagement wird er das KiJuNa – auch in der Zusammenarbeit mit Heike und dem Kitateam – immer weiter zu einer unverzichtbaren Institution im Kiez ausbauen.

SZ: Vielen Dank für das Interview.

TM

Foto: Simone Gogol – Stadtrandnachrichten
Beitrag: Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf, Nr. 170, September 2013