Seit Mitte Juni dürfen alle Kinder in Berlin wieder ihre, in den letzten 13 Wochen sicherlich schmerzlich vermisste, Kita besuchen. Es kehrt also wieder eine Art Normalität in den Kita-Alltag ein. Zwar noch hier und da mit Maske und Abstand, aber dennoch Normalität. Doch wie war es in den letzten Wochen? Wie haben die Menschen, die das System die ganze Zeit am Laufen gehalten haben, diese Zeit erlebt? Wie war es für diejenigen, die trotz eigener Ängste und der allgemein herrschenden Verunsicherung den anderen systemrelevanten Menschen den Rücken freigehalten und ihre Kinder betreut haben? Was war schlecht? Was war gut? Was wird die Krise überdauern und was sollte sich auf keinen Fall wiederholen?

Um all diese Fragen beantwortet zu können, haben wir vom Stadtteilzentrum Steglitz unsere Kitas besucht und einfach nachgefragt. Denn, wer könnte besser davon erzählen, als die Kitaleitungen und Erzieher*innen, die die ganze Zeit über „an vorderster Front“ gekämpft und Tag für Tag ihr Bestes gegeben haben?!

Den Anfang macht unsere Kita in Lichterfelde Süd – die Lichterfelder Strolche

Verunsicherung, Aktionismus, Kinder brauchen andere Kinder, perfekte Gruppengröße, neue Ideen, Digitalisierung, schlechte Kommunikation, gute Kommunikation, anfängliches Unverständnis, neu gewonnenes Verständnis und durchgearbeitete Wochenenden – In etwa so lässt sich die Corona-Zeit in der Kita Lichterfelder Strolche zusammenfassen. Doch eins nach dem anderen …

„Naja, ich würde sagen, wir haben einfach versucht, das Beste aus der Situation zu machen“, so beginnt Sandra Koppelmeyer, Leitung der Kita Lichterfelder Strolche in der Scheelestraße 145, ihre Erzählung. Nach der anfänglichen Verunsicherung stellte sich ziemlich schnell ein starker Aktionismus ein, erzählt sie. „Da kaum Kinder hier waren, haben wir sofort damit angefangen, all die Sachen zu erledigen, die im normalen Kita-Alltag immer liegen bleiben – vom Regale aufräumen bis hin zu Portfolios der Kinder aktualisieren“. Doch nach einigen Wochen ließ die anfänglich noch recht positive Stimmung nach, denn man habe zunehmend gemerkt, dass die Kinder, die in der Kita waren, die anderen Kinder immer mehr vermissten… Besser wurde es erst, als die ersten Lockerungen Anfang Mai in Kraft traten. Mehr Kinder hatten nun Anspruch auf eine Betreuung. „Und das tat allen gut!“, so Koppelmeyer. Die „Grüppchen“ wurden aufgestockt und die Kinder hatten endlich mehr Spielkameraden. „Kinder brauchen einfach andere Kinder“, sagt die Kitaleiterin, „Erwachsene können andere Kinder niemals ersetzen“.

„Perfekte Gruppengröße“

Diese Zeit, als zwar schon etwas mehr Kinder da waren, als am Anfang, aber noch bei Weitem nicht alle, sei von allen Kollegen als besonders positiv wahrgenommen worden, berichtet sie. „Da hatten unsere Gruppen, nach unserem Empfinden, die ‚perfekte Größe’. Wir hatten einfach einen viel besseren Betreuungsschlüssel“, erklärt Annemarie Markus, Stellvertretende Leitung der Kita. „Für uns Erzieher war es nicht so stressig wie sonst und auch den Kindern tat es gut, da wir so noch viel besser auf einzelne Bedürfnisse eingehen konnten“.

Digitalisierung und mehr Verständnis für einander

Neben dieser „intensiveren“ Betreuungsmöglichkeit, gab es auch andere positive Aspekte, die die Krise mit sich brachte. So sei die Kommunikation mit den Eltern sehr viel besser geworden, erzählen die beiden Frauen. „Wir haben jetzt eine E-Mail-Versand-Liste und können so die Eltern stets auf einem schnellen und vergleichsweise einfachen Weg über alle Neuerungen informieren. Früher war das nicht denkbar.“ Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit den Eltern um einiges besser geworden. Man entwickelte gegenseitig viel mehr Verständnis. „Jetzt wissen wir ja auch, was einzelne Eltern beruflich machen und können so auch ihre jeweilige Situation viel besser verstehen“.

Das Thema digitale Kommunikation sei aber natürlich nicht nur in der Kommunikation mit den Eltern wichtig gewesen. Auch Team-interne Absprachen wurden nun digital durchgeführt. „Wir waren positiv überrascht, wie gut das geklappt hat!“, sagt Markus. Das sei auf jeden Fall etwas, was auch nach der Krise bleiben wird. „Für viele unserer Erzieher*innen, vor allem für die, die selbst Kinder haben, ist es viel einfacher, an einer digitalen Teambesprechung teilzunehmen, als an einer ‚klassischen’ vor Ort.“ Das ließe sich viel besser organisieren.

Schlechte Kommunikation

Doch natürlich sei während der letzten 13 Wochen bei Weitem nicht alles „rosa-rot“ gewesen, erzählt Sandra Koppelmeyer. Am schlimmsten empfanden die Leiterinnen die schlechte Kommunikation seitens der Berliner Senatsverwaltung. „Es war teilweise wirklich übel“, bestätigt Annemarie Markus. „Zum Beispiel, wenn so ein Schreiben mit den neuen Vorgaben am Freitagnachmittag hier ankam und bereits ab Montag umgesetzt werden sollte“. Man habe fast jedes Wochenende durcharbeiten müssen, um diese Vorgaben rechtzeitig und gut umsetzen zu können. Das sei natürlich sehr belastend gewesen. Und nicht selten habe man sogar zuerst aus den Medien erfahren, was sich ändert, bevor die Kita offiziell benachrichtigt wurde. Auch das sei sehr schwierig gewesen, vor allem in der Kommunikation mit den Eltern. „Weil sie natürlich, eigentlich auch zu recht, davon ausgingen, dass wir die neuesten Informationen haben. Und wir mussten dann sagen, dass auch wir die Infos lediglich in der Tagesschau gehört und noch nichts Offizielles bekommen haben“, so Koppelmeyer.

Ein Mehr an Aufwand und Verantwortung

Auch einige wirtschaftliche Aspekte haben es der Kita nicht leicht gemacht. So mussten in den ersten Wochen des Lockdowns die Erzieher*innen selbst für die Kinder kochen, nachdem der Caterer seine Lieferungen eingestellt hat. So wenige Portionen auszuliefern, sei für ihn nicht wirtschaftlich gewesen. Also mussten die Erzieher*innen selbst für die Mahlzeiten einkaufen und diese auch selbst zubereiten. Auch für die Umsetzung der strengen Hygienemaßnahmen waren die Erzieher*innen selbst verantwortlich. Das alles bedeutete, und bedeutet teilweise noch immer, natürlich einen nicht unerheblichen zusätzlichen Aufwand.

„Am Ende gehen wir als Team aber eher gestärkt als geschwächt aus dieser Krise heraus“, da sind sich beide Frauen sicher. „Diese Zeit hat uns gezeigt, dass wir auch in einer so schweren Situation als Team sehr gut funktionieren und einfach alles schaffen können!“

eb