Die Kontaktstelle Integrationsbüro Steglitz berät seit 2019 mit dem neuen Schwerpunkt Arbeit und Ausbildung. Dabei steht das Erstellen der Bewerbungsunterlagen für KlientInnen im Mittelpunkt. Im Leben der vielen Flüchtlinge, die zu mir in die Beratung kommen, gibt es allerdings immer komplexe Herausforderungen. So gehört zur Arbeitsaufnahme immer die Arbeitserlaubnis in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus, ebenso wie Deutschkenntnisse, der Bildungshintergrund oder auch Familienverhältnisse. Auch die Wohnungssuche ist ein Topthema. Wie all diese Dinge zusammenspielen, möchte ich mit einem kleinen Ausschnitt aus meiner Arbeit mit euch teilen.

I. ist ausgebildeter Kinderkrankenpfleger. Als ich ihn zum ersten Mal in der Gemeinschaftsunterkunft, wo er untergebracht ist, traf, sprach er kaum Deutsch. Er war noch nicht lange in Deutschland. Da er aus einer ehemals französischen Kolonie kam, sprach er aber Französisch. Nun ist mein Schulfranzösisch zwar etwas eingerostet, aber ich verstehe noch viel. So verlief unser Gespräch also auf Deutsch und Französisch. Ich sprach Deutsch, er Französisch und wir waren in der Lage einen Lebenslauf für ihn zu erstellen.

Relativ schnell fanden wir ein tolles Angebot eines Klinikums: ein Praktikum inklusive Deutschkurs. Durch die sechs Monate gezielten Spracherwerb und die Anpassung seiner Kenntnisse für die Arbeit in einem deutschen Krankenhaus im Rahmen des Praktikums, erhält er am Ende die offizielle Anerkennung seines Berufsabschlusses in Deutschland. Somit kann er im Anschluss direkt als Krankenpfleger in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen werden. Ein tolles Programm, welches die Qualifikationen der MigrantInnen schätzt und nutzt. So gewinnt jeder.

Der Vertrag zwischen I. und dem Klinikum war geschlossen und es fehlte nur noch die Zustimmung der Ausländerbehörde (heute heißt diese Behörde Landesamt für Einwanderung). In I.s Ausweis war kein Arbeitsverbot vermerkt und eine sehr nette Frau aus der Personalabteilung des Klinikums begleitete ihn persönlich, um die Arbeitserlaubnis einzuholen. Optimale Voraussetzungen – eigentlich.
Vor Ort wandte sich die Sachbearbeiterin, die ihnen zugewiesen wurde, dem Arbeitgeber zu und vermerkte: „Sie wissen aber schon, dass der Herr jederzeit abgeschoben werden kann?!“ Der Arbeitgeber, verunsichert durch diesen Kommentar, trat direkt von dem Vertragsangebot zurück. I. war verständlicherweise bestürzt, wie wir alle, die ihm bis hierher geholfen haben. Was ist schief gelaufen?

Nach Terminen bei Asylberatungsstellen stellte sich heraus, dass I. im sogenannten Dublin-Verfahren steckte. Das heißt, er war vor Deutschland zuerst in Frankreich (also einem anderen europäischen Land) und es wurde deshalb geprüft, ob sein Asylgesuch in Frankreich und nicht in Deutschland bearbeitet werden muss. Bei positivem Bescheid müsste er nach Frankreich zurückkehren. Dort, erzählte er mir, wurde er am Flughafen von der Polizei wie ein Krimineller gefesselt und er wollte auf gar keinen Fall nach Frankreich zurück. Wir fanden auch heraus, dass seine Anwältin bereits Widerspruch gegen die Dublin-Überstellung eingelegt hatte, weil die Frist für die Überstellung abgelaufen war. Das heißt es bestand keine akute Gefahr der Abschiebung, vor allem nicht, bevor über den Fall noch nicht entschieden wurde. Dies zeigt auch, wie wichtig die unabhängigen Asylberatungsstellen (die in mehreren Sprachen beraten) in Berlin sind, denn oftmals wissen Geflüchtete gar nicht genau über ihren Aufenthaltsstatus Bescheid.

Mit diesen neuen Erkenntnissen traten wir erneut an den Arbeitgeber heran, um I. doch noch in das Programm vermitteln zu können. Es waren allerdings ein paar Wochen vergangen und das Praktikumsangebot des Klinikums gab es mittlerweile nicht mehr. Die Finanzierung für das Programm war ausgelaufen und wurde nicht neu bewilligt. Wieder eine Enttäuschung. Wir fingen von vorne an Bewerbungen an Krankenhäuser zu schreiben. I.s geringe Deutschkenntnisse erwiesen sich aber als zu große Hürde. Ein zäher Prozess und I. war sichtlich depressiv gestimmt.

Dann endlich eine gute Nachricht seiner Anwältin! I.s Asylantrag kann in Deutschland gestellt werden, es wird keine Überstellung an Frankreich geben. Ein kurzes Aufatmen…wirklich nur kurz. Jetzt ging es um die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – ein Tag auf den sich Flüchtlinge sehr gut vorbereiten müssen. Zum Glück gibt es auch hier wieder Hilfestellung von den Asylberatungsstellen, z.B. der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Am Tag des (mehrstündigen) Interviews beim BAMF wurde I. von einer Französischlehrerin, die freiwillig tätig ist, begleitet – zum Glück! Der Übersetzer des BAMF übersetzte nicht nur lücken- sondern auch fehlerhaft.

Diese vielen Anstrengungen waren psychisch belastend für I., aber auch für uns alle. I. verlor zunehmend die Hoffnung. Er wollte schnell Arbeit finden, um seinen Sohn zurück in der Heimat zu unterstützen. Das Schulgeld fehlte.
Heute blicke ich noch immer traurig auf die Situation zurück, auch wenn I. vor drei Monaten endlich seine Arbeitsstelle in dem Klinikum antreten konnte, ein Zimmer bei einer netten Familie bewohnt und auch rechtlich besser vertreten ist. Eine Erfolgsgeschichte?

Die Hürden, die Neuankömmlinge in Deutschland überwinden müssen, sind immer noch zu hoch, um wirklich von gelungener Integrationspolitik zu sprechen. Es fehlt viel zu oft an Empathie und Verständnis dafür, wie schwer es ist die deutsche Sprache zu lernen und sich in unserem Bürokratiedschungel zurecht zu finden. Es müsste in deutschen Behörden für jeden Pflicht werden mindestens eine weitere Sprache zu sprechen oder zu lernen, damit man eine Vorstellung davon bekommt, dass das nicht über Nacht passieren kann. Auch an aktuellen Debatten um Rassismusuntersuchungen bei der deutschen Polizei merkt man, wie sehr hier die Bereitschaft zu Veränderungen fehlt.

Zeitgleich werden weitere Fachkräfte über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz akquiriert, anstatt die Arbeitskraft der Menschen, die bereits hier sind, zu nutzen. Meine Klienten sind größtenteils in systemrelevanten Berufen tätig (z.B. Kranken- und Altenpflege, Baustellen, Reinigung). Dennoch müssen sie eine ungewisse Bleibeperspektive hinnehmen.

Die Umbenennung der Ausländerbehörde in Landesamt für Einwanderung ist vielleicht ein erster Schritt zur Besserung. Diesen Worten müssen jetzt Taten folgen. Wir müssen diese Herausforderung gemeinsam angehen, mehr Raum für Begegnungen und Austausch schaffen und die vielen Potentiale nutzen. Viele der Ratsuchenden beklagen sich über fehlende soziale Kontakte, weshalb ihre Deutschkenntnisse sich nicht großartig verbessern. Wir sind alle dafür verantwortlich, neu Ankommenden unsere beste Seite zu zeigen. Wir können auf unsere Werte wie Gleichberechtigung und Demokratie hinweisen, aber wir müssen in ihrer Umsetzung auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

Christiane Butler
Kontaktstelle Integrationsbüro Steglitz