Zum Thema „Alleinsein“ fällt mir spontan die Geschichte vom Regenbogenfisch ein, der traurig und allein durchs weite Meer schwimmt. Anfangs wird er von allen Fischen bewundert, wegen seiner schönen Glitzerschuppen. Weil er aber den Anderen keine seiner Schuppen abgeben will und sich auch sonst nicht für sie interessiert, stolz an ihnen vorbeizieht, erhält er keine Anerkennung mehr. Erst der weise Rat des Oktopus, die Hartnäckigkeit des kleinen blauen Fisches, der von Beginn an den Kontakt zum Regenbogenfisch suchte und zu guter Letzt die Änderung seines Verhaltens führen dazu, dass er sich in die große Gruppe des Fischschwarms integriert und schließlich zum beliebten, hilfsbereiten, mutigen und anerkannten Mitglied der Gesellschaft wird.

Alleinsein – was bedeutet das? Jeder von uns ist zeitweise allein, d.h. erlebt Momente,in denen gerade kein Kontakt zu anderen Menschen besteht. Ein Zustand, den wir manchmal bewußt herbeiführen, um uns z.B. auf uns selbst zu besinnen, uns zu entspannen oder frei sein zu wollen. Situationen, die auch sehr wichtig sein können für unsere krative Entfaltung. Wir schaffen uns sozusagen einen Ruhepol.

Auch für Kinder sind solche Momente sehr wichtig. Immer wieder beobachtet man in der Kita Kinder, die sich zurückziehen, in einer Ecke mit sich allein spielen. Sie haben dann in der Regel nicht das Gefühl des „Alleiseins“. Unser Regenbogenfisch aber fühlt sich allein, das heißt einsam, ein tiefes und schmerzhaftes Gefühl, ein Gefühl des Verlassenseins, sich nicht angenommen fühlen …

„Traurig bin ich und allein, niemand kann mich leiden“, singt er und schwimmt durchs weite Meer, bis sein Leidendruck so groß wird, dass er sich Hilfe sucht. Im Kitalltag begegnen wir auch kleinen Regenbogenfischen. Sie können uns ihr Gefühl nur über ihr Verhalten zeigen, das macht es so schwierig, sich wirklich einsam fühlende Kinder ausfindig zu machen.

Kinder sind mit ihren Gefühlen noch direkt verbunden, sie können noch nicht relativieren, deshalb reagieren sie spontan und mit oft heftigen Gefühlsausbrüchen. Jegliche Eindrücke werden ungefiltert aufgenommen, dadurch beziehen sie negative Erfahrungen schnell auf sich selbst und entwickeln in der Regel unbewußt ein entsprechendes Bild von der Welt, sich selbst und anderen Menschen.

So können frühkindliche Erlebnisse, wie Unsicherheit, Verlust, Abwertung, Gewalt, Überforderung … das Vertrauen in eine liebevolle, beschützende Umwelt zerstören und so zu einem Gefühl des Verlassenseins führen, das tief im Unterbewußtsein verankert wird.

Sich einsam zu fühlen, hängt nicht davon ab, ob ein Kind Geschwister hat oder viele Freunde, eine große oder kleine Familie, sondern vielmehr davon, welche Qualität die Bindungen zu den jeweiligen Kontaktpersonen haben und wie das gesamte Klima seiner Umwelt sich gestaltet, welchen Erlebnissen ein Kind ausgesetzt ist.

Häufig finden Kinder allein einen Weg, ihr Alleinsein zu beenden, manchmal bedarf es der Hilfe eines Oktopus!

An dieser Stelle wünsche ich allen, die mit Kindern und Jugendlichen Kontakt haben oder arbeiten, ein wachsames Auge und ein offenes Ohr, um einsame Kinder zu erkennen und ihnen Hilfestellung zu geben.

Kerstin Prehn

Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ 1/2018 mit dem Leitthema „Alleinsein“
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