Inzwischen gibt es diese Gebrauchsgegenstände, manches Mal nur in speziellen Fachgeschäften erhältlich, auch für LinkshänderInnen, doch sehr viel teurer als die handelsübliche, rechtshändige Ausgabe. – Leben in einem gemeinsamen Haushalt mit links- und rechtshändigen Familienmitgliedern bedeutet einige Dinge „doppelt“ anzuschaffen wie z. B. einen Dosenöffner, einen für Rechts- und einen für LinkshänderInnen. Doch „Not macht ja bekannter Weise erfinderisch“, und es wird nach Lösungen bzw. Gegenständen gesucht, die beidhändig gleichermaßen genutzt werden können. So gibt es z. B. Pfannenwender mit gerader oberer Kante, Soßenkellen die sowohl rechts und links einen Ausgießer haben oder einfach nur rund sind, Wasserkocher, die auf beiden Seiten eine Wasserstandsanzeige besitzen oder deren Skalierung innen mittig ist.
Doch worum geht es eigentlich?
Sind linkshändige Menschen wirklich anders als die anderen? Ich meine einerseits „Ja“ und andererseits „Nein“. In erster Linie sind sie Menschen wie alle anderen auch. Das einzige was LinkshänderInnen von RechtshänderInnen unterscheidet ist ihre Dominanz der rechten Gehirnhälfte/-hemisphäre, wodurch andere Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen sichtbar werden. So werden z. B. Intuition,
strategisches Denken, synthetisches ganzheitliches Denken, bildhafte Vorstellung, Melodiegedächtnis, Gefühlsverständnis u.v.m. der rechten Hemisphäre zugeordnet.
Diese kurze Beschreibung lässt erahnen, dass der Alltag eines links-händigen Menschen aufgrund unserer vorwiegend rechtshändigen Gesellschaft schon sehr hinderungsreich ist. Doch wird dieser Alltag umso problematischer, wenn eine LinkshänderIn „umgeschult“ wird. Dieser Mensch lernt – unter Umständen gezwungen oder auch freiwillig – mit der rechten Hand zu schreiben, zu malen, handwerkliche und hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit der rechten statt der dominant linken Hand auszuüben. Auch heute noch gibt es immer wieder umgeschulte LinkshänderInnen, sogar noch in Schulen und Kindergärten, was zu Problemen führen kann. Diese Probleme führen nach Johanna Barbara Sattler zu Überlastungen und äußern sich in sog. Primärfolgen wie Gedächtnisstörungen (besonders beim Abrufen von Lerninhalten), Konzentrationsstörungen (schnelle Ermüdbarkeit), legasthenische Probleme (Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten), Sprachstörungen (vom Stammeln bis zum Stottern), feinmotorische Störungen (z. B. Schriftbild). Diese Primärfolgen können sich mit zunehmender Zeit in sog. Sekundärfolgen manifestieren wie Minderwertigkeitskomplexe, Unsicherheit, Zurückgezogenheit, Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz, Trotzhaltungen, Widerspruchsgeist, Imponier- und Provokationsgehabe (z. B. „Klassenclown spielen“ im Unterricht), Verhaltensstörungen, Bettnässen und Nägelkauen, emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter mit neurotischen und/oder psychosomatischen Symptomen, Störungen im Persönlichkeitsbild.
Was sollten nun erwachsene umgeschulte LinkshänderInnen berücksichtigen?
Wichtig ist, dass sie die Umschulungsfolgen akzeptieren und verarbeiten, Pausen bei der Arbeit einlegen und sich Entspannung gönnen und diese sich selbst zugestehen. Wenn sie wollen suchen sie eine Beratungsstelle für LinkshänderInnen auf. Sollten sie sich zurückschulen wollen, dann suchen sie sich eine professionelle Unterstützung, die Erfahrung mit Rückschulungen besitzt.
An dieser Stelle möchte ich ein Beispiel eines umgeschulten Linkshänders geben, zitiert aus dem Buch von Johanna Barbara Sattler „Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“: „Hans (Alter zum Zeitpunkt der Testuntersuchung: 33 Jahre, (…) hatte von Anfang an Schwierigkeiten mit dem Schreibtempo, was ihn sowohl in der Schule als auch bei den schrifltichen Staatsexamensklausuren sehr behinderte und auch seinen akademischen Abschluss gefährdete. Hans schreibt mit der rechten Hand, man hielt ihn aber für einen Beidhänder, insbesondere weil er praktisch, außer Schreiben und Dosenöffnen, für alles die linke Hand benutzte. (…) – Schwangerschaft und Geburt sind normal und ohne Probleme verlaufen, ebenso seine Sprach- und Bewegungsentwicklung als Kind. Die Linkshändigkeit bei Hans soll der Mutter bereits in den ersten Lebenswochen aufgefallen sein, durch besondere Aktivität mit der linken Hand. Vor Schulbeginn wurden keine Umschulungsversuche gemacht, da in der Familie Linkshändigkeit häufig auftrat. In der ersten Klasse wurde Hans aber doch umgeschult. Das Argument des Lehrers, so erinnert sich Hans, war, dass ihm ansonsten das linkshändige Schreiben im Leben Schwierigkeiten bereiten würde. In der Schulzeit litt er unter Gedächtnisstörungen und langsamer unschöner Schrift.
Testergebnis: umgeschulter Linkshänder ohne zusätzliche zerebrale Störungen.
Kommentar: Hans ist ein in der ersten Klasse auf rechts umgeschulter Linkshänder; die Umschulungsfolgen trafen ihn in der Schule ziemlich hart, und er hat auch später relativ lange gebraucht, bis er sich ausreichend auf die Staatsexamensprüfungen vorbereitet hatte. Seine Probleme dauern, auch wenn er mit ihnen umgehen lernte, bis heute an und manifestieren sich besonders in Stress-Situationen.“ (S. 253 f, Verlag Ludwig Auer GmbH, Donauwörth, 1. Aufl. 1995).
Wer mehr wissen möchte, dem kann ich folgende Literatur empfehlen: Dr. Johanna Barbara Sattler: Das linkshändige Kind in der Grundschule; Ulla Laufs: wir haben zu wenig echte Linkshänder – Das Findbuch.
gez. eine erfolgreich zurückgeschulte Linkshänderin
Beate Eichhorn
Co.-Arbeitsbereichsleiterin schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit
Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf, Nr. 174 • Februar 2014
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