Die offene Fürsorge ist ein niedrigschwelliges Hilfsangebot, das Menschen in akuten finanziellen Notlagen unbürokratisch unterstützt. Sie richtet sich an all jene, die kurzfristig eine kleine finanzielle Überbrückung benötigen, sei es für dringend notwendige Lebensmittel, ein Busticket, Medikamente, Windeln oder andere unvermeidbare Ausgaben des Alltags. Viele dieser Situationen erscheinen von außen klein, doch für Menschen in wirtschaftlich angespannten Lebenslagen können sie die Grenze zwischen Stabilität und neuerlicher Krise bilden.

Das Besondere an der offenen Fürsorge ist, dass sie die Hürde zwischen Hilfebedarf und Unterstützung bewusst niedrig hält. Es braucht keine langen Anträge, keine Nachweise, kein Auseinandernehmen der eigenen Lebensgeschichte. Ein kurzes Gespräch genügt, ein Gespräch, in dem es weniger um Kontrolle geht als um Menschlichkeit. Das Angebot basiert auf Vertrauen: Vertrauen darauf, dass Menschen selbst am besten wissen, was sie brauchen, und dass eine kleine Summe wie 50 Euro im richtigen Moment Großes bewirken kann.

Für viele, die kommen, bedeutet dieser Ort weit mehr als nur eine finanzielle Hilfe. Er ist ein Stück Halt in einem Leben, das oft von Unsicherheit geprägt ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begegnen den Besuchenden wertschätzend, ohne Vorurteile und mit der Haltung, dass jeder Mensch das Recht hat, in schwierigen Phasen aufgefangen zu werden. Dadurch entsteht ein Raum, in dem sich Menschen nicht schämen müssen, Unterstützung anzunehmen – ein Raum, in dem sie sich gesehen fühlen.

 

Eine Geschichte, aus dem Leoniealltag

An einem grauen Oktobervormittag kam eine Familie in die Leonie: eine Mutter und ihre beiden Kinder. Die drei wirkten müde, so als hätten sie bereits eine anstrengende Woche hinter sich, obwohl erst Dienstag war. Die Mutter hielt eine Mappe unter dem Arm, aus der ein Schulformular herausragte. Die Kinder wirkten brav, aber still, fast ein wenig zu still für ihr Alter.

Sie setzten sich, und die Mutter erklärte leise, warum sie gekommen waren: Der Monat war finanziell enger geworden als erwartet. Das Kindergeld war durch eine verzögerte Überweisung noch nicht angekommen, gleichzeitig standen unerwartete Ausgaben an, die Jacke der Tochter war kaputtgegangen, und der Sohn brauchte dringend Material für ein Schulprojekt, das bereits am nächsten Tag fällig war. „Es geht nur um ein paar Tage“, sagte sie, nicht klagend, sondern erklärend. „Nur bis das Geld kommt.“

Während sie sprach, nestelte die Tochter an einem abgewetzten Ärmel ihrer Jacke, und der Junge hielt seinen Rucksack fest umklammert. Im Spendenbereich der Leonie haben wir gemeinsam eine passende Jacke für den Übergang gefunden. Man sah, dass die Mutter versuchte, Stärke zu zeigen, aber dass sie erschöpft war. Diese Erschöpfung kennt man in der offenen Fürsorge gut; sie entsteht, wenn ein Mensch über lange Zeit versucht, alles alleine zu stemmen.

Ich hörte aufmerksam zu, stellte ein paar kurze Fragen und nickte schließlich verständnisvoll. Ich ging für einen Moment ins Büro zurück, kam dann mit einem kleinen Umschlag und zwei vorausgefüllten Formularen wieder und erklärte freundlich: „Hier sind 50 Euro. Das ist für die nächsten zwei, drei Tage – damit es ein bisschen leichter wird.“ Die Mutter blickte mich überrascht an, als hätte sie nicht wirklich damit gerechnet, dass Hilfe so unkompliziert sein würde. Dann kamen ihr Tränen, schnell weggewischt, weil die Kinder es nicht sehen sollten.

Die Tochter aber hatte es bemerkt. Sie rutschte näher an ihre Mutter heran und flüsterte: „Mama, jetzt ist wieder alles gut, oder?“ Und der Junge öffnete seinen Rucksack, als hätte er schon seine Bastelmaterialien darin gesehen.

Die Mutter bedankte sich mehrfach. Sie unterschrieb die zwei Zettel, ich durfte ihren Ausweis kopieren. In dem Moment wusste ich: es geht es nicht nur um Geld. Es geht darum, jemandem das Gefühl zurückzugeben, dass er nicht alleine durch alles hindurch muss.

Als die Familie ging, wirkte sie ein kleines bisschen aufrechter. Vielleicht nicht unbelastet, aber erleichtert. Und manchmal ist genau das der Unterschied, der zählt.

Für alle Mitarbeiter*innen des Stadtteilzentrums grüßt euch  
Katja aus dem Nachbarschaftsladen Leonie