im Stadtteilzentrum Steglitz – ein Forschungslabor
Nachhaltigkeit, also die Frage nach Ursachen und Folgen unseres Handelns (und Nicht-Handelns), wird für viele von uns immer wichtiger. Zum Beispiel beim Buchen einer Reise oder einfach bei der Frage: Bioapfel, oder konventionell?
Verantwortungsvolle Unternehmen versuchen, hier ebenfalls wirksam tätig zu werden – ob aus Rücksicht auf Kundeninteressen, oder aus eigener Motivation. Nachhaltigkeit bedeutet neben Umweltschutz und sozialem Engagement aber auch, sich als Unternehmen so auszurichten, dass Geschäftsmodelle, Kundenbeziehungen und Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben – es geht also um Entwicklungsfähigkeit, Zukunftsperspektive und den Ausgleich verschiedener Interessen.
Nachhaltigkeit, das ist eine von vielen möglichen Perspektiven auf das Wirken von Unternehmen innerhalb ihrer Umgebung. Das Stadtteilzentrum Steglitz nimmt diesen besonderen, nach vertiefter Verantwortung fragenden Blickwinkel schon lange ein, was nicht zuletzt in der Unternehmenskultur und den Mitarbeitern liegt: Keine Sozialarbeiterin wickelt einfach nur das alltägliche Geschäftsmodell ab. Seit zwei Jahren aber werden die Fragen „Wie nachhaltig sind wir eigentlich?“ und „Wie können wir uns nachhaltig entwickeln?“ offen und systematisch bearbeitet. Ein Rückblick:
Schritt 1: Der Nachhaltigkeits-Check
Der Nachhaltigkeits-Check von Hultgren Nachhaltigkeitsberatung stellt rund 150 Fragen in 15 Handlungsfeldern und war für das Stadtteilzentrum Steglitz ein geeigneter Einstieg in das Thema Nachhaltigkeit.
Der Check mündete in einem Bericht, der einen systematischen Überblick über den Status Quo nachhaltiger Unternehmensentwicklung gibt und strategische Handlungsempfehlungen ausspricht. Das Fazit war, in kurzen Worten: Wirtschaftlich wird das Unternehmen stabil und innovativ geführt, die Arbeit ist gesellschaftlich extrem relevant – aber die ökologische Dimension ist noch nicht systematisch im Fokus. Dabei hatte die Mehrzahl der Mitarbeiter genau danach ein Bedürfnis.
Schritt 2: Die Nachhaltigkeits-AG
Am Dienstag, dem 10. Juni 2014, konstituierte sich die AG Nachhaltigkeit im Stadtteilzentrum Steglitz, sie tagt, plant und debattiert bis heute monatlich. Sie entwickelte auch rasch eine Strategie für das Stadtteilzentrum: Nur wenn wir als Unternehmen das tun, was wir Kindern und Jugendlichen in Projekten versuchen näherzubringen, bleiben wir glaubwürdig – uns selbst und Anderen gegenüber. Neben Plänen und Strategien sind es aber oft die praktischen Ideen, die eine Sache voranbringen. Und erst mit der Idee der Papierpaten wurde aus einem Debattierclub und Planungsstab (nicht böse sein, der Autor ist selbst stolzes Mitglied der Nachhaltigkeits AG) ein praktisches Forschungslabor.
Schritt 3: Die Papierpaten
Jede Einrichtung des Stadtteilzentrums, und dies sind ja bekanntlich einige, hat seit einem Jahr eine Papierpatin oder einen Papierpaten. Die Idee dahinter: Vielleicht können die großen Fragen von Nachhaltigkeit, also Ressourcensparen und der Umgang mit der Nutzung und der Entsorgung von Rohstoffen, erst einmal im Kleinen ausprobiert werden? In Kitas, Schulhorten, im KiJuNa und sogar in der Geschäftsstelle wird also seither über wichtigen Fragen nicht nur gebrütet, sondern ausprobiert:
• Wo kommt Papier eigentlich überall zum Einsatz?
• Müssen wir auf Papier möglichst komplett verzichten, oder reicht ein bewußterer Umgang?
• Woher kommen eigentlich all die
Bäume – und wohin geht das Papier, wenn wir es entsorgen?
und:
• Taugt das Thema tatsächlich modellhaft für andere Fragen
des Recyclings und der
Umweltschonung?
Viel wichtiger als die Beantwortung konkreter Fragen aber war es, ein Gefühl dafür zu bekommen, was es mit uns macht, sich dem Thema Papier anders zu nähern, es selbst zu schöpfen, zu färben und ungefähr einschätzen zu können, wie aufwändig es ist, aus gewohnten Bahnen vom Kaufen bis zum Wegwerfen auszubrechen. Die Papierpaten wollen, zumindest ein
kleines Stück weit, aus „Verbrauchern“ verantwortungsvolle „Verwender“ machen – also aus uns allen.
Oliver Schmidt
Geschäftsführer Hultgren und Partner
Die Projekte:
Kita Lankwitzer Maltinis:
Die Maltinis schöpfen Papier – und weil es nicht nur Freude, sondern für Kinder ebenso wie für Erzieherinnen und Erzieher auch so manchen Erkenntnisgewinn gebracht hat, hier eine kleine Anleitung:
Zunächst wird das Zeitungspapier in kleine Schnipsel zerrissen. Die Kinder bekommen erstmal die Möglichkeit damit nach Herzenslust zu experimentieren. So darf es beispielsweise herumgeworfen, zerlegt oder zerknüllt werden. Die Schnipsel sollen danach in eine Plastikwanne gelegt und mit
Wasser übergossen werden.
Besonders spannend hierbei für die Kinder ist die Beobachtung, dass die Schnipsel durch das Einweichen zu einem Brei werden. In dieser Pampe darf dann mit Spaß und Energie herumgewühlt werden. Als Nächstes wird Seife mit einer Reibe gerieben und das entstandene Seifenpulver dem Brei
hinzugefügt. Diese Masse wird dann mithilfe eines Mixers noch einmal ordentlich gerührt. Die Kinder bekommen jeweils ein Plastiksieb, in das sie etwas von dem Papierbrei hineintun und beobachten, wie das Wasser abfließt. Anschließend werden die befüllten Siebe zum Trocknen an einen ungestörten Ort gelegt.
Über Nacht entsteht jetzt ein neues Blatt Papier – und jeder, der hierbei mitgemacht hat, sieht Papier zukünftig mit anderen Augen.
Kita Schloßkobolde
Neues wird üblicherweise gekauft, Altes weggeworfen. Die meisten Erwachsenen wissen, dass sich aus Altem sehr schöne „neue“ Dinge herstellen lassen – ganz egal ob wir das nun „Recycling“, „Upcycling“ oder einfach „Spaß und Kreativität“ nennen!
Für unser Projekt zerrissen die
Kinder verschiedene „Altpapiere“, die sie mit heißem Wasser übergossen, über Nacht eingeweicht und anschließend in einem Mixer püriert wurden. Diese Masse muss noch mit warmem Wasser verdünnt werden, um anschließend neues Papier daraus schöpfen zu können.
Unterschiedliche Ausgangsmaterialien geben der Papiermasse farbliche
Nuancen:
• grüne Eierkartons ergeben eine tolle grüne Spinatpampe
• braunes Packpapier Schokoladenpudding
• graues Packpapier ist von der Farbe her langweilig, kann aber mit hervorragend mit Krepppapier eingefärbt werden
• gebrauchte Papierhandtücher lassen Sahne entstehen.
Einen einfachen Schöpfrahmen kann man aus einem billigen Bilderrahmen und einem metallischem Spritzsieb selber herstellen. Mit einer große Plastikwanne, vielen Handtüchern oder alten Zeitungen (auch Filztücher sind hilfreich), 2 Brettern zum Pressen und mit dem Rahmen können nun neue Papiere geschöpft werden.
Schülerclub Memlinge
Der erste Teil unseres Papierpaten-Projekts neigt sich dem Ende zu. Wir waren sehr gespannt, wie die Kinder mit diesem, doch sehr theoretischen Wissensinput umgehen. Im Voraus haben wir uns viele Gedanken gemacht, wie wir die wichtigsten Informationen rund um das Thema Papier transportieren. Herausgekommen sind die zahlreichen Plakate im Eingangsbereich, bei deren Gestaltung wir mit den Kindern über das Thema ins Gespräch gekommen sind und ihre Fragen und Anmerkungen aufgegriffen haben. In den Winterferien haben wir das Material Papier dann endlich „angepackt“ und es entstand eine eindrucksvolle Murmelbahn. Auch zukünftig wollen wir immer wieder bewusst Altpapier bei unseren Kreativangeboten zum Einsatz bringen, um das Thema im Bewusstsein der Kinder zu verankern.
Im zweiten Teil geht es nun darum, feste Standards für den Umgang mit Papier in unserem Schülerclub zu verabreden, denn das was wir erfahren haben hat uns nachdenklich gestimmt…und fest steht: Der Umgang mit Papier soll zukünftig eine wichtige Rolle in unserer Einrichtung spielen!!! Die Verabredungen/Standards, die wir mit uns und den Kindern treffen werden, möchten wir gern in unserem Flur, sichtbar für alle Besucher und als tägliche Erinnerung für uns selbst,aushängen. Alles was im Zusammenhang mit den Papierpaten steht, wird zusätzlich mit einem kleinen Papierpäckchen gekennzeichnet.
Für uns ist das der erste Schritt, um bewusster, nachhaltiger und achtsamer zu arbeiten und den Alltag mit den Kindern im Schülerclub zu leben. Wir freuen uns über Ihre Anregungen, Ideen und Kommentare und hoffen, die Kinder tragen etwas von ihrem neu erlangten Wissen zum Thema Papier zu Ihnen/Euch nach Hause.
Kinder- und Jugendhaus Immenweg
In der Imme haben wir uns im Rahmen des Papierpatenprojektes gefragt, was wir in unserer täglichen Arbeit bereits tun, um unseren Papierverbrauch auf ein notwendiges Maß einzuschränken. Wir nutzen vermehrt die digitalen Medien für unseren internen Informationsaustausch: Protokoll, Beobachtungen, Notizen können teilweise am Computer erstellt, bearbeitet und ausgetauscht werden. Die Umstellung auf das „papierarme Büro“ erscheint erst mühsam. Hat man sich daran gewöhnt, geht plötzlich Vieles einfacher, praktischer und schneller. Der Einkaufszettel ist im Handy, beim Einkaufen achten wir vermehrt darauf, auf Recyclingpapier zu setzen.
Das Papierpatenprojekt hat zudem dazu geführt, dass wir im Alltag bewusster auf den sparsamen Umgang mit Papier achten, immer wieder kleine Projekte rund um das Thema durchführen und das Thema in Gesprächsrunden lebendig halten.
In einer Themenwoche „Alles rund um Papier“ waren die Kinder mit eigenen Recherchen und Gruppenarbeiten geistig, kreativ, und körperlich aktiv. Dabei wurden quasi nebenbei ganz wesentliche Fragen erörtert:
• Woher kommt Papier?
• Warum ist es wichtig, einen sparsameren, bewussten Umgang mit Papier zu entwickeln?
• Was kann ich aus altem Papier gestalten?
• Wozu benutzen wir überall Papier und wo kann jeder Einzelne Papier einsparen?
Besonders lebendig war das Papierschöpfprojekt „Aus Alt wird Neu“: Jeder gestaltete sein eigenes Kunstwerk aus selbst geschöpftem Papier, später fügte es sich zu einem Gesamtkunstwerk zusammen.
Wir wollen auch in Zukunft das Thema Nachhaltigkeit in der Papiernutzung – und darüber hinaus – behandeln, beispielsweise durch eine konsequentere Mülltrennung sowie die Herstellung eines Lebensbaums aus Papierrollen und alten Verpackungen.
Ergänzender Förderung und Betreuung an der Grundschule am Insulaner
Papier wird aus Bäumen hergestellt, das Papierpatenprojekt Happylaner hat aus Papier wiederum einen Baum gezaubert. Der Baum aus Papierrollen und roten Kreppblüten trug bald ganz besondere Früchte: die Kinder sammelten an seinen Ästen die Ernte ihrer Recherchen zum Thema „Baum, Holz, Papier“.
Recycling ist die Wiederverwendung alter Materialien bei der Produktion von etwas Neuem, unser Projekt der Osterferien stand dementsprechend auch im Zeichen von Papiernutzung und -verbrauch, Herstellung und Recycling. „Upcycling“ beschreibt den Vorgang, aus Müll hochwertigere Produkte zu schaffen, die Kinder im Happylaner zauberten aus Papierrollen neben dem Baum auch zwei riesige Murmelbahnen. Fazit: Müll ist wertvoll, es hängt eben davon ab, was wir draus machen!
KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum
Im Rahmen des Papierpatenprojekts im KiJuNa wurden Märchen gelesen und einzelne Szenen daraus in Form von Standbildern in Kartons zu mehreren Dioramen zusammengestellt. Für diese Bastelarbeiten wurde ausschließlich schon einmal verwertetes Papier bzw. Pappe verwendet, also Papierrollen, Verpackungen oder alte Zeitungen. Im September 2014 wurde die „Märchenwelt“ im Rahmen einer Veranstaltung ausgestellt. Zusätzlich wurde ein Rahmenprogramm für die Veranstaltung geplant, organisiert und durchgeführt.
Im sogenannten offenen Kreativbereich wird schon länger hauptsächlich bereits genutztes Papier, z.B. Flyer und Plakate, verwendet. Eine der ersten Kreativaktionen hierzu ist ein aus Altpapier hergestellter Papier-Schneemann aus einem Winterferienprojekt. Die Kinder aus der Einrichtung, die an diesen
Bastelarbeiten und Projekten teilnehmen, bekommen durch die Gespräche während der Arbeit ein Gefühl für Nachhaltigkeit vermittelt. Warum nicht immer neuwertiges Papier genommen werden muss und auch dafür, dass der sparsamme Umgang mit Papier sehr viel mit Umweltschonung und Zukunft zu tun hat.
Geschäftsstelle Stadtteilzentrum Steglitz e.V.
„Recycling“ heißt es, wenn aus Abfall nutzbare Produkte hergestellt werden – beispielsweise Flaschen aus Altglas. Aber gibt es eigentlich ein Wort dafür, wenn aus Papiermüll einer ganzen Familie Leben eingehaucht wird? Genau das ist nämlich in der Geschäftsstelle des Stadtteilzentrum Steglitz passiert. Aber der Reihe nach:
An einem kalten Januartag in der wöchentlichen Teambesprechung der Geschäftsstelle entstand die Idee, das ungenutzte Altpapier unserer Stadtteilzeitung kreativ zu verwenden. Die Mitarbeiterinnen ließen die Köpfe rauchen und eine kreative Idee wurde geboren!
Was könnte aus den vielen Stadtteilzeitungen entstehen, die bisher als Altpapier ihr tristes Dasein fristen?
Die Idee war geboren und in einer Einrichtung fanden sich die Rohkörper mehrerer Figuren aus Pappmachèe. In mehreren Arbeitstreffen wurden sie wieder „reanimiert“ – geputzt, angestrichen, mit älteren Ausgaben der Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf beklebt und geschmückt. Die Kolleginnen der Verwaltung, die im beruflichen Alltag eher Aktenordner und Computertastaturen handhaben, wurden zu kreativen Gestaltern einer ganzen Familie.
„Animation“ heißt der Vorgang, mithilfe von Feder und Stift, heutzutage am Computer scheinbar lebendige Figuren entstehen zu lassen. Die Familie aus Papier, die seit März 2015 am Eingang der Geschäftsstelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso begrüßt wie Gäste und Besucher, macht jedenfalls einen sehr lebendigen Eindruck. Ihre Entstehung ist mit dem Begriff „Recycling“ nicht hinreichend beschrieben, es war eher eine „Animation“.
Dies ist nur einer Auswahl aller Projekte, die in den Einrichtungen durchgeführt worden sind. Eine gesammelte Vorstellung erfolgt in einer gesonderten Publikation.
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