Es ist schon neun Jahre her, dass der Schülerclub an der Alt-Lankwitzer Grundschule, „Altes Kesselhaus“ genannt, seine Arbeit aufnahm. Dort arbeiten heute Merlin Ahnen-Klan, gelernter Erzieher, und seine Kollegin Anna Strauch, studierte Sprachwissenschaftlerin und Erzieherin mit traumpädagogischen Schwerpunkt in Ausbildung. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist die Verankerung von Angeboten der Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII in und im Umfeld der Schule. Ohne Paragrafen beschreiben sie, dass es ihr Anliegen ist, die Potenziale von Kindern und Jugendlichen auf vielfältige und nachhaltige Art und Weise gemeinsam zu entdecken, zu fördern und zu erweitern. Sie unterstützen und befähigen die Kinder und Jugendlichen, ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu führen und zu gestalten. Dies umfasst soziales Lernen sowie die Entwicklung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen. Sie schaffen und fördern Möglichkeiten zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.

Um diese Arbeit leisten zu können ist es erforderlich sich immer wieder an die zeitlichen Gegebenheiten anzupassen. So sind in den letzten Jahren ganz besonders digitale Medien dazugekommen. Um deren Möglichkeiten auszuschöpfen stehen Weiterbildungen an.

Anna Strauch näherte sich dem Thema „Medienpädagogik“ anhand einer Song-Idee. Ihr übergeordnetes Ziel war das Interesse vom Kind, selbstbestimmt am Umgang mit Musik, Stimme und Sprache und diese schließlich in Verbindung mit digitalen Medien zu erforschen, zu experimentieren, aufzunehmen und weitere Entwicklungsimpulse zu geben.

Ausgerichtet war ihre Idee für zwei Kinder im Alter von drei und vier Jahren, Maria und Emmelie. Neben den Kindern, war der Musikproduzent und Anna selber an diesem Projekt beteiligt.

Anna beschreibt ihr Medienprojekt:

• Einstieg/Motivation
Ich hatte die Idee im Kopf, zwei mir bekannte Lieder, ein Kinderlied von Volker Rosin: „Die Maus auf Weltraumreise“, mit einem bekannten Poplied von Marusha: „Somewhere Over The Rainbow“ zu einem „Mash-up“ zu verknüpfen. Die Mädchen sollten den Part des Kinderliedes singen und ich das Lied Somewhere Over The Rainbow, damit ein gemeinsames Musikprojekt entstehen konnte. Da die Kinder noch sehr klein waren, näherte ich mich für das Projekt zunächst mit einer Mäuse-Handpuppe. Diese Maus erzählte Maria und Emmelie, dass sie vorhatte, eine Weltraumreise zu unternehmen und fing an das Lied den Kindern vorzusingen und es ihnen beizubringen. Bei einem nächsten Treffen durften sie der Maus Fragen stellen und es wurden einige Strophen des Liedes dazu gedichtet. Die Fragen lauteten zum Beispiel, wie es im Weltraum klingt, wenn sie dort singen würden. Auch die Größe und Unendlichkeit faszinierte die Kinder sehr. Ich spielte ihnen das andere Lied auf Englisch vor und übersetzte es ihnen. Die andere Sprache und Bedeutung faszinierte sie sehr.

Die beiden sahen mit mir bei einem anderen Treffen, den Film „Schlupp vom grünen Stern“ von der Augsburger Puppenkiste und erfuhren mehr über das Weltall und lustige Wesen, die eine andere Sprache sprechen. Ich bot den Kindern an zu den Liedern auch mit Buntstiften Bilder zu malen, dabei ist dann das Cover unserer CD entstanden.

• Durchführung
Am Studiotag war leider Emmelie krank, somit setzte ich die Songidee mit Maria um. Sie hatte großen Spaß ihre Stimme durch das Mikrofon zu hören. Ihr wurde gezeigt, wie man das Mikrofon richtig hält, wie man beim Singen stehen sollte und wie man am besten in das Mikrofon hinein singt. Ihr wurden weiter keine Vorgaben gemacht, da sie selbstbestimmt, motiviert und ungezwungen ihren Klängen freien Lauf lassen sollte. Als Maria plötzlich nicht mehr das Lied der kleinen Maus sang sondern ihrer Fantasiesprache nachgab, freuten wir uns über den Mut und den Einfallsinn der Dreijährigen. Nach der Aufnahme durfte sie mit digitalen Effekten (Hall, Delay) mit ihrer Stimme spielen. An einem anderen Tag wurde mein Part aufgenommen und die Liederpuzzle wurden nach Marias und meinen Vorstellungen zusammengesetzt.

• Pädagogischen Ziele
Ich habe das Thema Medien dazu benutzt, um Bildungsprozesse anzuregen und technische Medien gezielt in meiner pädagogischen Arbeit einbezogen. Die Kompetenz sich selbst mit allen Sinnen wahrzunehmen, sich der eigenen Empfindungen gegenüber der Musik bewusst zu werden, Phantasie zu wecken und auszudrücken, wurden entwickelt. Durch verschiedene Geräusche, Melodien und Klangfarben, auch Momente der Stille, wurde sich das Kind der eigenen Ausdrucksmittel bewusst. Das Kind lernt, seine eigenen Werke zu schätzen. Freude am Singen, Malen und Tanzen zur Musik wurden gefördert.

Maria hat eine eigene ästhetische Empfindung entwickelt und auch mitgeteilt, wenn es zu laut/zu leise wurde. Ein musikbezogener Wortschatz: laut-leise, langsam-schnell, kurz-lang, wurden ihr vermittelt. Ihr wurden die Möglichkeiten aufgezeigt, die ein Computer mit ihrer Stimme machen kann. Für mich war es wichtig, dass die Kinder an allen Prozessen beteiligt werden und ein Mitwirkungsrecht/ Mitspracherecht haben. Ich wollte ihnen ohne Druck und Zwang begegnen. Auf ihre Fragen und Wünsche wurden eingegangen. Sie wollten aus sich heraus einiges wissen, ich als Erwachsene habe hierbei begleitet, gezielt Anregungen gegeben und sie so an meinen Erfahrungen und meinem Wissen teilhaben lassen. Ich habe beide Mädchen zu jeder Zeit in ihrem Tun ermutigt, bestärkt und Entwicklungsimpulse gegeben.

• Fazit
Ich empfand die Durchführung und die Herangehensweise an die Kinder sehr gelungen und habe das Projekt in viele Bereiche ausgedehnt. Kunst, Musik, Sprache, Naturwissenschaften und Medien waren alles Bereiche, in denen die Kinder Kompetenzen dazu gewinnen konnten. Meine Song-Idee wurde viel besser als erwartet realisiert und ich tanze nun mit beiden Kindern sehr häufig zu diesem „Mash-up“.


Interview mit dem Musikproduzenten

1. Wie war es für dich, mit einem Kind zu arbeiten?
Da Maria keine Vorgaben hatte, konnte sie frei experimentieren. Für sie war es reiner Spaß. So war es sehr einfach und angenehm. Dadurch, dass die Stellen, bei denen Maria singt, nicht auf ein Playback laufen, war auch kein Druck da, Intonation oder Rhythmik zu treffen. Somit war die Arbeit sehr einfach.

2. Wie war es für dich, mit einem Laien zu arbeiten?
Es war sehr angenehm. Dadurch, dass das Playback schon fertig vorbereitet war, entstand keine Leere oder Wartezeit für Anna, in der sie über Ihre Performance grübeln könnte. Erfahrungsgemäß steigt die Unsicherheit der Musiker, je mehr sie warten müssen, zusätzlich setzen sie sich selbst unter Druck, „weil sich der andere ja solche Mühe macht“. Somit empfiehlt es sich, bei Laien, so vorbereitet wie möglich zu sein. Da Anna viel singt, war die Kommunikation sehr einfach. Sie verstand, was es bedeutet, mehr Luft zu geben oder eine Oktave höher zu singen. Auch in der Intonation oder Rhythmik verstand sie alle Tipps.

3. War das Vorhaben leicht umzusetzen?
Ich hatte viele Freiheiten, wie ich das Projekt umsetzen möchte. Der Stil der Produktion war nicht sonderlich fordernd, das Instrumental war in 10 Minuten gemacht. Die eigentliche Herausforderung war es, das Kind einzubinden, mitbestimmen zu lassen, ohne Leistungsdruck zu erzeugen, da es dann dicht machen könnte. Es musste also ein Spiel sein, und gleichzeitig das Ziel erfüllen. Das hat erstaunlich gut geklappt. Die andere Herausforderung ist es, einem unsicheren Laien nicht das Gefühl zu geben, schlecht zu performen. Per se kann ein Laie nur gut performen, weil er ja keine Ausbildung hat und somit keine Erwartungen an ihn gestellt werden, der Laie stellt diese aber oft selbst an sich und wertet Hinweise oder Tipps manchmal als persönliche Kritik, was wiederum zu Unsicherheit und schlechterer Performance führt. Das war mit Anna aber gar nicht der Fall, da sie sehr selbstsicher aber auch realistisch mit Ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten umgeht. So war das Vorhaben leichter realisiert als gedacht.

4. Wie lange hat die Produktion/ Einsingen gedauert?
Insgesamt wird sie ca. 5 Stunden gedauert haben, inklusive Vor- und Nachbereitung sowie Aufwärmzeit für Anna und Maria. Die reine Recordingzeit liegt möglicherweise sogar unter einer Stunde.

5. Was für Technik wurde benutzt?
Es wurde, wie heutzutage üblich, auf dem Computer produziert. Darauf läuft eine Software, genannt Digital Audio Workstation (DAW), in unserem Falle Cubase. Das Playback besteht ausdigitalen Synthesizern und vorgefertigten Drum-Samples, die in der DAW arrangiert und mit digitalen Effekten bearbeitet wurden (Hall, Delay, Distortion, etc.). Das Stimmsignal wurde über ein Mikrofon durch einen Analog-Digitalwandler in den Computer gebracht und aufgenommen. Als Mikrofon wurde ein dynamisches Mikrofon, welches aus der Radiotechnik bekannt ist, das Shure SM-7B, verwendet. Das aufgenommene Signal wurde mithilfe von Kompressoren, Hall und Delay bearbeitet und die Tonhöhe wurde an einigen Stellen korrigiert.

Abschließen sagt Anna Strauch zu ihrem Projekt: „Ich hatte sehr große Freude an diesem Projekt und bin auch sehr stolz auf das Ergebnis. Ich habe selbst an Selbstsicherheit in meiner pädagogischen Arbeit und Umsetzung dazu gewonnen. Gestärkt und motiviert vom Ergebnis, werde ich in Zukunft mehr Medien in der pädagogischen Arbeit nutzen. Meine anfängliche Scheu ist gewichen und ich arbeite nun schon an einem neuen Medienprojekt, diesmal ein Film mit den Kindern meines Schülerclubs über das Thema ‚Konfliktlotsen‘.“

Anna Strauch / Anna Schmidt