Dass „Stille Helden“ in der Nazizeit Verfolgte und Untergetauchte im Stillen unterstützt haben, ist sehr verständlich.Dass es um sie nach 1945 jahrelang still blieb, ist wohl eher ein Ausdruck des damaligen schlechten Gewissens vieler. Diese mutigen Frauen und Männer waren nicht beliebt, waren sie doch der lebende Beweis, dass es auch unter der schlimmsten Diktatur möglich war, menschlich und anständig zu bleiben und sogar aktiv widerständig. Und dies ist auch der Punkt, der sie heute so wertvoll macht für das Gespräch mit Jugendlichen über die NS-Zeit.

Über ihre Lebensgeschichten kann sowohl das Grauen der damaligen Zeit, wie aber auch die Hoffnung auf Zukunft und die Kraft der Menschlichkeit lebendig werden und Kopf und Herz der nachkommenden Generation erreichen. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich neben den Stolpersteinrecherchen in Schlachtensee auch um die mutigen Frauen gekümmert habe, die dort gelebt haben. www.meinschlachtensee.de

Zumal diese Helden des Alltags leider auch heute noch nur wenig Aufmerksamkeit erfahren und selbst die wenigen Möglichkeiten, auf sie aufmerksam zu machen, nicht genutzt werden. So weigert sich das Kulturamt Steglitz-Zehlendorf seit Jahren, die Namen der vom Senat in den 60er Jahren im Bezirk als „Unbesungene Helden“ Geehrten auf der Homepage des Amtes zu veröffentlichen. Es gibt dort nur den Hinweis, dass eine entsprechende Liste vorliegt. Umso erfreulicher, dass sich das Magazin des Stadteilzentrums Steglitz dieses Themas annimmt.

Auch wenn die damals so mutigen Frauen und Männer sich selber nicht als „Helden“ bezeichnet haben und nur davon sprachen, dass sie ihre „Pflicht getan“ haben oder es für sie „selbstverständlich“ war, so zu handeln, ist es meines Erachtens richtig, heute von Stillen Helden zu sprechen, weil viele der Geretteten ihre Retter so gesehen haben. Eine der Geretteten schrieb sogar: „In jenen Jahren ist das ‚andere Deutschland‘ so sichtbar geworden und so strahlend erglänzt, dass ich zu sagen wage: Es wiegt das Grauen des Übrigen auf.“(Annie Kraus, gerettet u.a. von den Schwestern Kaulitz aus Schlachtensee)

Gut 700 Frauen und Männer wurden in den 60 Jahren vom Berliner Senat für ihre mutigen Taten geehrt, in den Bezirken Steglitz und Zehlendorf waren es zusammen 64. Mindestens noch einmal so viele waren für eine Ehrung gemeldet worden, wurden aber aus vielerlei Gründen nicht berücksichtigt. Sie waren aber nur „die Spitze des Eisbergs“, denn nach dem aktuellen Forschungsstand, waren vermutlich mehr als 20.000 Personen allein in Berlin in irgendeiner Weise an Hilfestellungen für Verfolgte und Untergetauchte beteiligt, denen es gelang von den 5.000 „Untergetauchten“ fast 2.000 vor dem Zugriff der Nazis zu retten. Die Zahl der Stillen Helden mag überraschen und ist sicher größer als vielfach angenommen, aber im Verhältnis zu den 3 Millionen Einwohner*innen, sind es dann doch nur 1%.

Wer waren nun diese mutigen Männer und Frauen? Es waren vor allem Frauen, über sie gibt es einige Berichte, ich selber habe zu sieben Frauen aus Schlachtensee geforscht und publiziert. Einiges davon ist auf meiner privaten Homepage unter: https://familienseitejordan.wordpress.com/steglitz-zehlendorf/stille-heldinnen/ nachzulesen.

Aus Steglitz sind z.B. die Lebensgeschichten der Journalistin Ruth Andreas-Friedrich, die Mitglied in der Widerstandsgruppe „Onkel Emil“ war und des Spediteurs Otto Noerenberg bekannt, aber auch die des Lichterfelder Schmiedemeisters  August Kossmann sollte an vielen Stellen erzählt werden. Er versteckte in seiner 1 ½ Zimmerwohnung zwei jüdische Familien und um nicht zum Volkssturm eingezogen zu werden, brachte er sich selber eine tiefe Wunde bei, so dass er in seiner Wohnung bei seinen Schützlingen bleiben konnte.

Aus Zehlendorf wurde vor allem über den Musiker Hanning Schröder und seine Frau berichtet, an die Dahlemer Frauen der Bekennenden Kirche Gertrud Staewen und Hildegard Schaeder wurde erinnert, aber viele andere blieben vergessen. Allein für den kleinen Ortsteil Schlachtensee konnte ich von sieben mutigen Frauen ihr Wirken wieder bekannt machen, drei von ihnen  (Hilde Otte, Margarete Kaulitz und Lucie Strewe) wurden durch den Senat geehrt, eine (Trude Wisten)  als „Gerechte unter den Völkern“ von der Gedenkstätte Yad Vashem anerkannt.

Über fünf dieser sieben Frauen habe ich im letzten Jahr in einer Broschüre: Menschlichkeit und Widerstand in Schlachtensee 1933 – 1945 berichtet. Sie ist in den Zehlendorfer und Schlachtenseer Buchhandlung für 2 Euro zu erhalten. Vieles findet sich auch auf meiner Schlachtenseeseite:

https://schlachtenseesite.wordpress.com/stille-heldinnen/

Eine dieser Stillen Heldinnen war auch Lucie Strewe, Tochter aus gutem Haus, verheiratet mit einem erzkonservativen Chinaexperten, aber einfach und klar in ihrer Haltung, untergetauchten Juden ihre Wohnung zu öffnen und sonstige Unterstützung zu leisten. Für sie wurde im Mai 2018 ein kleiner Platz in der Fischerhüttenstraße unter großer Anteilnahme der Familie, die z.T. aus Australien dazu angereist waren, benannt. An sie wird damit stellvertretend für alle Stille Heldinnen aus unserer Region dauerhaft erinnert.

Dirk Jordan


Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ 2.2019 mit dem Leitthema „Alltagshelden“
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