pinsel_erlebenKunst und künstlerische Betätigung kommen in der ergänzenden Förderung und Betreuung an der Peter-Frankenfeld-Schule eine ganz besondere Bedeutung zu: In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung kann Kunst ein Ausdrucks- und Kommunikationsmittel oder Bildungsangebot- und Wahrnehmungsangebot sein. Dabei steht das gemeinsame künstlerische Handeln im Mittelpunkt. In unserer täglichen Arbeit setzen wir deshalb künstlerische Elemente ein, um unseren Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, mit ihren eigenen Fähigkeiten zu experimentieren und dabei ihren Körper aktiv zu spüren. Dies klingt jetzt alles sehr theoretisch und vielleicht auch nicht so ganz verständlich, deshalb möchte ich nun ein paar Erlebnisse aus der Sicht eines Kindes schildern:

„Hallo, ich bin Max und 11 Jahre alt. Ich besuche die Peter-Frankenfeld-Schule und in den Ferien den Hort. In den Ferien unternehmen wir immer viele tolle Sachen und ich genieße die Ferienzeit. Was gibt es noch über mich zu sagen? Ich habe einen Rollstuhl, ich lerne gerade laufen (auch wenn es noch etwas wacklig ist) und zum Sprechen benutze ich eine Art Sprachcomputer. Dadurch kann ich mir in den Ferien ein Angebot aussuchen und genau das machen, wozu ich gerade Lust habe. Da ich Farben besonders mag, freue ich mich immer, wenn es ein kreatives Angebot gibt. Basteln mag ich nicht so, aber die Erwachsenen im Hort machen andere tolle Dinge mit mir. Sie zeigen mir, dass es verschiedene Materialien gibt, die man für Kunst benutzen kann. Es gibt Pinsel mit harten Borsten, manche fühlen sich auch weich an, andere sind eher dünn oder breit. Ich weiß das, weil mir alle Pinsel in die Hand gelegt
werden und ich mir dann damit über den Arm streichle oder sie an meine Wange halte. Manchmal machen wir den Pinsel gemeinsam nass, was gar nicht so einfach ist, weil meine Arme nicht immer das machen, was ich möchte. Dann bekomme ich Wasserspritzer ab, die sich warm aber auch kalt anfühlen können. Spannend finde ich es, Farbe auf den Pinseln zu haben, noch toller ist es aber, sie an meinen Fingern zu haben. Sie sind so feucht, schmierig und kitzeln an meinen Finderspitzen. Also versuche ich, gleich nach den Farben in den Schalen vor mir zu greifen. Manchmal kippt mir dann die Farbe um und läuft mir über das Papier. Das ist aber nicht schlimm, dann lege ich beide Hände in die Farbe und verteile sie auf dem Papier. Die anderen Kinder schauen mich dann immer ganz erstaunt an und freuen sich mit mir.

pinsel_erleben2Meistens stehen auf dem Tisch noch andere tolle Dinge, die ich gern einmal in der Hand halten möchte: weiße Kugeln mit verschiedenen Größen, die ich auch mit meinen Fingern anmalen kann. Dafür brauche ich aber einen Erwachsenen, um die Kugeln festzuhalten. Einmal haben wir dann gemeinsam bunte Stöckchen in die Kugel gerückt und schon sah sie aus wie eine Spinne. Spaß macht es mir auch, die weißen Kugeln auf meine Brust zu legen, um dann loszulassen. Sie rollen dann über meinen Bauch und Beine auf den Boden. So entstehen ganz unterschiedlichen Geräusche.

Mit Farbe drucken kann ich auch gut. Mit Hilfe eines Erwachsenen knülle ich dafür Papier zusammen. Ich bin immer erstaunt darüber, dass sich geknülltes Papier anders anfühlt als glattes Papier. Mit geknülltem Papier drucke ich oft, weil ich es besser in der Hand halten kann. Nachdem ich meinen selbstgemachten Stempel in die Farbschale getaucht habe, kann ich damit drucken. Dabei vermischen sich die Farben manchmal und auch diese Bilder sehen immer anders aus.“

Diese sogenannte „basale Geschichte“ zeigt uns, wie gerade Kinder und Jugendliche mit einer sehr schweren Behinderung sich mit künstlerischen Materialien auseinandersetzen können, ohne dass ein fertiges Produkt das Ergebnis ist. Zeitgleich machen sie dabei eigene Erfahrungen und erleben, was sie mit ihrem Körper alles bewirken können. Das ist ein Prinzip der künstlerischen Arbeit mit unseren Kindern und Jugendlichen. Das zweite Prinzip ist das gemeinsame Handeln in einer Gruppe. Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass die gemeinsame Arbeit an einem
Projekt das Zusammengehörigkeitsgefühl fördert, sich jeder mit den eigenen
Fähigkeiten einbringen kann und es auch einfach mehr Spaß macht.

Mike Haase
Projektleiter der EFöB an der Peter-Frankenfeld-Schule

Ein Beitrag aus dem Magazin „Im Mittelpunkt“ – Juli/August 2016