classroom-488375_1280 Kinder und Jugendliche werden schon früh und immer stärker durch die Medien als eigenständige Konsumenten angesprochen – sie haben vielfältigen Zugang zu altersgerechten Informationen in Form von Kindernachrichten oder Kinderzeitschriften. Schon im Kindergarten und in der Grundschule setzten sie sich mit zukunftsorientierten und aktuellen politischen Themen (z. B. Nachhaltigkeit, Klimawandel, Flüchtlinge) auseinander. Damit wird sowohl ein Problembewusstsein für ihre räumliche und soziale Umwelt als auch für die Verwerfungen in einer globalisierten Welt geschaffen (vgl. Schröder, 1995, S. 13f.). Auf Grundlage dieser schon früh erlernten Kompetenzen scheint es meiner Ansicht nach unausweichlich, Kinder und Jugendliche ganz direkt an der Gestaltung ihrer Lebenswirklichkeiten zu beteiligen.

Der Grundschule als institutioneller Einrichtung, die so gut wie alle Kinder und Jugendlichen erreicht, kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Vor allem im Zuge des Ausbaus der Grundschulen zu offenen oder gebundenen Ganztagsgrundschulen werden an diese z. B. hohe Erwartungen hinsichtlich der Förderung bürgerschaftlicher Kompetenzen, wie der Ausbildung von Partizipations- und Mitbestimmungsfähigkeit, geknüpft (vgl. Hartnuß/Maykus 2006, S. 3; BMFSFJ 2015, S.22; Pesch/Preissing/Ramseger 2009, S. 55 und 63f.). Da durch die Zunahme der Ganztagsschulen in Deutschland immer mehr Kinder und Jugendliche den überwiegenden Teil ihres Tages in der Schule, dem Hort (bzw. der Ergänzenden Förderung und Betreuung) oder Kooperationspartnern von Schulen (Schülerläden) verbringen, stehen sie auch automatisch unter der – mehr oder weniger – ständigen Beobachtung durch Erwachsene. Eltern- bzw. lehrer- oder erzieherlose Freiräume haben die Kinder weit weniger als in meiner Kindheit. Dies muss kein Nachteil sein, wenn die Kinder ernst genommen, in ihrer Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und ihrem Verantwortungsbewusstsein gefördert und unterstützt werden. Um die Schule als tatsächlichen Lebensraum wahrnehmen zu können, müssen die Kinder und Jugendlichen eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung für sich und die Gemeinschaft übernehmen dürfen – sich aber genauso gut dafür entscheiden können, dies nicht bzw. nur indirekt zu tun.

Auch wenn in vielen Bereichen die Partizipation von Kindern und Jugendlichen noch in den Kinderschuhen steckt, ihnen Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen und diese zu fördern, ist mittlerweile gesellschaftlicher Konsens. Seit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention durch Deutschland im Jahr 1992, rückt das Thema “Partizipation von Kindern und Jugendlichen fördern und stärken” immer wieder vermehrt in den Focus des öffentlichen und politischen Interesses. Dennoch ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Bildungskontext vor allem an Grundschulen vorwiegend bei der Gestaltung von Interaktionsprozessen (Sitzordnungen, Regeln, Ausflüge) zu beobachten. Weitaus weniger werden sie in Entscheidungen einbezogen, die z. B. Unterrichtsinhalte oder Leistungsbewertungen betreffen (vgl. Coelen, Wagener, S. 133).

Angeregt durch diese empirischen Befunde ergeben sich für die pädagogische Arbeit an der EFöB folgende Fragen:

“Wie sieht es denn eigentlich bei uns im Nachmittagsbereich mit der Berücksichtigung des Kinderwillens, Beteiligung und Mitbestimmung aus? Reicht die Partizipation der Kinder über die bloße Beteiligung an Interaktionsprozessen hinaus bzw. findet diese überhaupt statt?“      

In der EFöB der Giesensdorfer Grundschule haben wir bisher unterschiedliche Formen und Methoden der Beteiligung erprobt und einige davon fest in unseren pädagogischen Alltag integriert. Wir möchten unseren Kindern und Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten zur Mitsprache, Beteiligung und Entscheidung bei der Gestaltung ihres Alltags eröffnen bzw. diese fördern und stärken. Da die Kinder und Jugendlichen als Experten ihrer Gefühle, Sorgen, Ängste und Wünsche am besten wissen, was sie brauchen, ist es unserer Ansicht nach unablässig, sie diesbezüglich in Entscheidungsverfahren (wie z. B. die Planung von Events, Quartalsthemen, Angeboten und AGs) verstärkt einzubinden.

Fest implementiert als Partizipationsinstrumente sind bei uns mittlerweile die monatlich stattfindende Kinderkonferenz sowie die täglich stattfindende Mensabesprechung. Während der Kinderkonferenzen (jedes interessierte Kind ist eingeladen Kindersprecher zu werden, es kristallisierte sich schnell eine feste Gruppe von Kindern heraus) haben sowohl Kinder als auch Erzieher die Möglichkeit Themen einzubringen. Unter anderem haben wir auf Grundlage der Wünsche, Ideen und Vorschläge der Kindersprecher und im Austausch mit den anderen Kindern der EFöB unsere diesjährigen, vierteljährlich stattfindenden Events und die dazugehörigen Quartalswochen konzipiert. Auf vielfachen Wunsch der Kinder haben wir ganz aktuell einen wöchentlichen Spielzeugtag eingeführt, an dem nun auch die heißgeliebten Sammelkarten in die EFöB mitgebracht und getauscht werden können.

Während unserer Mensabesprechungen werden mit allen EFöB-Kindern oft durch die Projektleitung wichtige, aktuelle inhaltliche Themen besprochen, den Geburtstagskindern wird gratuliert oder AG-Angebote werden vorgestellt. Vor allem aber bieten wir den Kindern hier den Raum und die Möglichkeit sich über die hier angesprochenen Themen auszutauschen, eigene Erfahrungen zu schildern und somit im Austausch mit anderen Kindern und Erziehern eigene Erfahrungen oder eigenes Handeln zu reflektieren. Die tägliche Mensabesprechung als Partizipationsinstrument erkannt, bietet sowohl Kindern als auch Erziehern die Möglichkeit die EFöB-Gemeinschaft aktiv zu gestalten. Grundlage für jede Form gelingender Beteiligung ist es meiner Ansicht nach, den Kindern zuzuhören und ihnen beim Spielen zuzugucken. Dadurch lassen sich Bedürfnisse oft sehr gut herausfinden bzw. ableiten, um sie dann gemeinsam zu bearbeiten. Es bedarf dazu weder eines Gremiums noch (gewählter) Vertreter (allerdings können fest installierte Partizipationsinstrumente helfen Transparenz zu schaffen sowie „am Ball zu bleiben“). Vielmehr ist es unsere persönliche Haltung den Kindern gegenüber, die diesen Beteiligungs-, Mitbestimmungs-, oder Mitentscheidungsmöglichkeiten eröffnet oder verwehrt.

Susan Riedel
EFöB an der Giesensdorfer Schule

Literatur:

* Herrmann, Dieter (2008): Sich selbst und mit-bestimmen. In: Axel Backhaus und Simone Knorre in Zusammenarbeit mit Hans Brügelmann und Elena Schiemann (Hg.) (2008): Demokratische Grundschule – Mitbestimmung von Kindern über ihr Leben und Lernen. Siegen, S. 325-333

BMFSFJ (Hg.) (2015): Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Allgemeine Qualitätsstandards und Empfehlungen für die Praxisfelder Kindertageseinrichtungen, Schule, Kommune, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen. Köln

Coelen, Thomas/Wagener, Anna Lena (2011): Partizipation an ganztägigen Grundschulen. Ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Erhebung. In: Appel, Stefan/Rother, Ulrich (Hg.) (2011): Mehr Schule oder doch: Mehr als Schule? S. 115-126

https://www.pedocs.de/volltexte/2014/8871/pdf/JbG_2011_Coelen_Wagener_Partizipation.pdf

(13.05.2016)

Hartnuß, Birgit/Maykus, Stefan (2006): Mitbestimmen, mitmachen, mitgestalten. Entwurf einer bürgerschaftlichen und sozialpädagogischen Begründung von Chancen der Partizipations- und Engagementförderung in ganztägigen Lernarrangements.

https://www.blk-demokratie.de/fileadmin/public/dokumente/Hartnu_Maykus.pdf (15.05.2016)

Pesch, Ludger/Preissing, Christa/Ramseger, Jörg (2009): Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule. Gestaltungsprinzipien, Aufgabenfelder, Entwicklungsprinzipien. Weimar

Schröder, Richard (1995): Kinder reden mit! Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung. Weinheim