Mitgefühl, Hilfe und Engagement für Menschen in Notlagen sind an manchen Stellen auf unserer Erde keine Selbstverständlichkeit. Das Wissen um diesen Fakt macht es für mich um so bedeutsamer, dass es in meinem direkten Umfeld, in der Nachbarschaft in der ich mich bewege und arbeite, so viele Menschen gibt, die etwas geben möchten. Geben für Menschen, die wohl die schwersten Tage, Wochen und Monate ihres gesamten Lebens durchmachen. „Ich möchte etwas tun.“, „Wie kann ich helfen?“ oder „Was wird gebraucht?“ … das sind die Sätze und Fragen, die mich in meiner Arbeit erreichen und mich privat unheimlich bewegen. Die Woge der Hilfsbereitschaft, die uns im Dezember 2014 zum Start unserer Initiative für Geflüchtete erreichte, trägt uns kontinuierlich weiter voran auf unserem Weg Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchtend, nach Deutschland, nach Berlin, nach Steglitz gekommen sind, zu helfen.

Seit einiger Zeit gibt es im KiJuNa – Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftszentrum, in der Scheelestraße verschiedene Angebote für geflüchtete Männer, Frauen und Kinder. Angebote, die wir nur vorhalten können, weil wir auf einen Pool aus rund 250 ehrenamtlichen Helfern zurückgreifen können. Täglich finden in unseren Räumlichkeiten Deutschkurse statt, wir können eine Kinderbetreuung bzw. Spielgruppe anbieten, haben ein Musikprojekt gestartet, nehmen Spenden entgegen, sortieren und verteilen diese, haben mit dem Interkulti-Café an zwei Standorten ein Angebot geschaffen, das Grundlage für die Begegnung von „alten und neuen Nachbarn“ ist. Und all das mit der Unterstützung von Menschen, die Ihre häufig knapp bemessene freie Zeit darauf verwenden, anderen zu Helfen und die Newcomer in unseren Reihen willkommen zu heißen. Die Entwicklung der Willkommenskultur direkt vor der Bürotür miterleben zu dürfen ist ein Privileg, dass ich jeden Tag aufs neue genieße. Die Arbeit mit engagierten Ehrenamtlichen und motivierten Menschen aus den verschiedensten Ländern der Welt erfüllt mich mit einem Gefühl, dass zu beschreiben Worte allein nicht ausreichen. Und der Ausdruck dessen, was ich denke und empfinde bereitet mir normaler Weise keine Schwierigkeiten.

szs_fluechtlingsarbeit_18 Neben den Angeboten, die wir für Geflüchtete im KiJuNa und in anderen Einrichtungen des Stadtteilzentrums Steglitz e.V. vorhalten, betreiben wir nun seit dem 9. November 2015 selbst eine Notunterkunft in Lankwitz. Unweit der Stelle, an der das Stadtteilzentrum vor ziemlich genau 20 Jahren seine Arbeit aufnahm, sind seitdem rund 200 Menschen untergebracht. Dieses für Deutschland so geschichtsträchtige Datum ist nun auch in der Vita unseres Vereins mit einem ganz besonderen Ereignis erfüllt. Und so wie vor 26 Jahren eine Mauer aus Beton und Steinen von Menschen eingerissen wurde, so werden an dieser Stelle jeden Tag aufs Neue die Mauern in den Köpfen einiger weniger Menschen mit abstrusen Vorstellungen von Nationalbewusstsein praktisch und faktisch widerlegt.

Die Hilfe und Unterstützung durch Ehrenamtliche in der Notunterkunft ist enorm. Vom ersten Tag an sind freiwillige Helfer von morgens bis abends im Einsatz für die Menschen, die in der Sporthalle untergekommen sind. Sie unterstützen bei der Ausgabe von Frühstück, Mittag und Abendessen, spielen mit den Kindern, lernen Deutsch mit den Bewohnern und stehen als Gesprächspartner für verschiedenste Anliegen und Bedürfnisse zur Verfügung. Hinzu kommt, dass einige Ärzte ihre freie Zeit darauf verwenden, eine medizinische Grundversorgung und eine regelmäßige Sprechstunde in der Unterkunft einzurichten.

szs_fluechtlingsarbeit_19 Bei all den, in weiten Teilen grausamen Meldungen aus Fernsehen, Radio und Printmedien ist man leicht geneigt sich in Rat-, Fassungs- und vielleicht sogar Hoffnungslosigkeit zu ergehen. Das, was ich täglich erleben darf, der Zusammenhalt, die an Aufopferung grenzende Bereitschaft sich für geflüchtete Menschen einzusetzen, das Mitgefühl und die Selbstverständlichkeit mit der die ehrenamtlich Engagierten ihre Zeit und Kraft in die Entwicklung einer beispielhaften Willkommenskultur stecken, geben mir Fassung und die Hoffnung darauf zurück, dass die Menschen dieser Erde trotz Krisen und Kriegen den Weg in eine friedliche gemeinsame Zukunft finden wollen.

Ich bitte, mir den Pathos meiner Worte nachzusehen, doch bin ich in keiner Weise dazu fähig, bei dem, was ich täglich erleben darf, emotionsfrei und sachlich zu bleiben. Ich bin unendlich froh darüber, von Menschen umgeben zu sein, die den Namen unserer Initiative beim Wort nehmen: #steglitzhilft!

Kristoffer Baumann