Foto: © robhainer - Fotolia.comJeder kennt das: Man hat schlecht geschlafen, weil es zuvor Streit wegen irgendeiner Kleinigkeit gab. Dann kippt der Kaffeebecher um und es ist keine Zeit mehr, um sich noch ein Brot zu schmieren. Ein schlechter Morgen kann einem den Tag ganz schön vermiesen. Doch was machen wir dann? Wir starten durch, nehmen das Telefon zur Hand und klären den gestrigen Streit. Danach holen wir uns schnell beim Bäcker ein belegtes Brötchen und einen Kaffee zum Mitnehmen.

Wir schaffen das. Doch jetzt versetzen wir uns einmal in die Lage unseres Kindes: Mama und Papa haben sich am Abend gestritten. Das hört es und schläft schlecht ein. Am nächsten Morgen wird es noch müde geweckt, erlebt gestresste Eltern, die wenig Lust haben die Haare zu einem Zopf zu flechten oder einen Kakao warm zu machen. Mamas Kaffeebecher kippt um und die Lieblingshose hat etwas abbekommen. Schnell umziehen und nun bloß nicht trödeln und ganz schnell los. Und mit diesen gehetzten und Gedanken beladenen Gefühlen kommt unser Kind in die EFöB und soll sich danach mit Mathematik und Deutsch auseinandersetzen. Wie würde ihnen das gelingen?

In der Woche bin ich drei Mal bereits 7.30 Uhr auf Arbeit und erlebe unsere Kinder direkt beim Ankommen in der Schule. Viele kommen dann zu mir und berichten, wie ihr Morgen war. Dabei höre ich ziemlich oft, dass sie sich über Dinge beklagen, wie „heute habe ich keinen Kakao mehr bekommen“ oder „wir mussten heute schon wieder zur Schule hetzen“. Es klingt wirklich nach Kleinigkeiten. Dennoch sind sie in diesem Augenblick betrübt und müssen manchmal regelrecht von mir getröstet werden. Doch die enorme Gewichtung eines guten Starts in den Tag eröffnete mir erst ein Erlebnis, von welchem mir eine Kollegin berichtete.

Eines unserer Kinder war den ganzen Tag über sehr ruhig und wirkte irgendwie traurig. Er starrte lediglich auf einen Zettel und wollte sich in keine Aktivität einbringen. Erst nach vermehrtem Nachfragen, was denn genau los sei, bekam die Kollegin folgende Geschichte zu hören: Am Tag zuvor fiel einer seiner Wackelzähne heraus. Ohne die Mutter darüber zu informieren, legte er den Zahn unter das Kopfkissen und versuchte zu schlafen. Jetzt musste nachts doch die Zahnfee kommen und seinen Zahn mitnehmen. Doch die Zahnfee kam nicht. Am nächsten Morgen lag noch immer der Zahn und nichts anderes unter dem Kopfkissen. Vollkommen enttäuscht darüber sprach er seine Mutter an. Diese war jedoch etwas in Eile am Morgen und reagierte mit dem (eigentlich nicht ernst gemeinten) Satz „Na vielleicht kommt die Zahnfee ja nicht immer.“. Mit diesen Worten im Kopf kam er in die Schule und konnte sich nicht wirklich auf Mathe oder Deutsch konzentrieren. Erst ein Telefonat mit der Mutter und die Erklärung, dass der Junge vielleicht nicht fest genug geschlafen habe (da hätte sich keine Zahnfee an sein Kissen getraut!!!), konnten ihn etwas aufmuntern. Er bestätigte, dass er die Zahnfee sehen wollte und dadurch versucht habe wach zu bleiben. Es wurde abgemacht, dass er die nächste Nacht den Zahn erneut unter das Kissen lege und dann aber fest einschlafen solle.

Nach diesem Gespräch gesellte er sich zu seinen Freunden und spielte mit ihnen. Und wie sich am nächsten Morgen herausstellte, kam die Zahnfee in der vergangenen Nacht und brachte ein kleines Geschenk.

Durch diese Erzählung wurde mir vollends bewusst, dass jedes unserer Kinder bestimmte Dinge mit sich herumträgt. Diese müssen eben nicht immer darin begründet sein, dass Eltern streiten, sich trennen oder dass ein Familienmitglied erkrankt ist. Für unsere Kinder kann der Tag bereits „richtig blöd“ sein, wenn sie eben nicht – wie versprochen – ihre neuen Schuhe anziehen dürfen. Oder eben, wenn gefühlt die ganze Welt zerstört wird, weil es anscheinend die Zahnfee nicht gibt. Es sind häufig gerade die kleinen Dinge, die ihre Gefühlswelt positiv wie negativ beeinflussen.

Dass diese „Kleinigkeiten“ erkannt und deren wirkliche „Größe“ verstanden werden, sehe ich nun mehr denn je als einen wesentlichen Teil meiner pädagogischen Arbeit mit Kindern. Denn in jedem Haushalt herrscht manchmal Hektik und gibt es einmal Streit. Wenn dies nicht zu Hause aufgefangen werden kann und dadurch mit in die EFöB gebracht wird, dann ist es doch toll, wenn wir helfen können. Und sei es nur dadurch, dass wir einen warmen Kakao servieren, die Haare flechten oder uns als Gesprächspartner anbieten.

Vielleicht sollten wir alle, egal ob Eltern oder Pädagogen, immer wieder daran denken (oder mal erinnert werden), welche noch so kleinen Dinge für uns als Kinder wichtig waren und welche Auswirkungen diese auf unseren Tag hatten. Schließlich haben wir es uns zur gemeinsamen Aufgabe gemacht, unsere Kinder jeden Tag – im Rahmen unserer Möglichkeiten – glücklich zu machen.

Katja Reinhardt
EFöB an der Giesensdorfer Schule