imme_19 Lesen.

Die meisten Jugendlichen können Sie mit diesem Wort zuverlässig in die Flucht schlagen. Zumindest dann, wenn es um längeres Lesen geht, unabhängig von Statusupdates oder Kurznachrichten, wenn es also um Bücher geht, oder besser gesagt: um Lesen zum Vergnügen.

Lesen zum Vergnügen?

Viele Jugendliche, die ich in der Hausaufgabengruppe des Kinder- und Jugendhauses Immenweg – kurz „Imme“ genannt – betreue, bringen die beiden Wörter „Lesen“ und „Vergnügen“ nicht in Einklang. Für sie hat das Lesen immer etwas Schulisches, Gezwungenes, Anstrengendes. Und man kann und sollte auch nicht versuchen, sie mit der Brechstange vom Gegenteil zu überzeugen – die Lust am Lesen stellt sich entweder irgendwann von selbst ein oder gar nicht.

Aber man kann diese Lust fördern. Man kann versuchen, das Eintauchen in das geschriebene Wort von der Last des Uncoolen zu befreien, man kann denjenigen Jugendlichen, die ein Anfangsinteresse zeigen, einen Weg öffnen, ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass das Lesen nur ein verlängerter Arm der Schule ist.

Das ist es, was wir in der Imme mit unserem wöchentlichen Angebot namens „Buchstabensalat“ versuchen. Worum es da geht? Nun, um’s Lesen – aber in einer Form, die auf Jugendliche ab 14 Jahren zugeschnitten ist, die Spaß macht und bei der nichts an das mühsame Erarbeiten von literarischen Texten erinnert, das den Deutschunterricht oft ausmacht.

Wir sitzen nicht auf Stühlen an Tischen, sondern in gemütlicher Runde auf Sofas im Kunstraum. Die Atmosphäre ist angenehm, mit Kerzenlicht und leiser Hintergrundmusik. Alle haben das gleiche Rederecht, es gibt keinen Lehrkörper, der bestimmte Inhalte unterbringen muss. Manchmal lesen wir Kurzgeschichten, manchmal diskutieren wir nur, manchmal machen wir sprachbasierte Theatersportübungen, manchmal machen wir eine Traumreise. Die Ausgestaltung eines Treffens hängt wesentlich von der Stimmung und der Aufnahmefähigkeit der Anwesenden ab, sie basiert immer auf Freiwilligkeit und Lust.

Wir haben normalerweise ein Buch, das wir etappenweise lesen, und das vorher von allen Mitgliedern der Gruppe demokratisch ausgewählt worden ist. Dabei lesen wir uns vor – reihum, aber wer das nicht will, der muss es auch nicht. Oft ergeben sich schon während des Lesens Anknüpfungspunkte für lebhafte Diskussionen, und die machen einen solchen Spaß, dass niemand auf die Idee käme, hier säße eine Schulklasse und erarbeite Literatur. Dass man es trotzdem tut, also dass man etwas lernt, merkt man im Grunde gar nicht.

Im Laufe der Zeit – es gibt den „Buchstabensalat“ inzwischen seit fast einem Jahr – haben wir mehrere Romane gelesen, viele Kurzgeschichten aus allen Genres, Ausschnitte aus Werken der Weltliteratur, und das alles mit Engagement und Spaß. Wir machen auch Ausflüge ins Theater, und manchmal kommt es auch vor, dass wir nur diskutieren und mal gar nichts lesen – es ist ein echtes Forum für alle, die zumindest mal versuchen möchten, ihren Horizont durch Lesen zu erweitern.

„Buchstabensalat“ kann und möchte den Deutschunterricht nicht ersetzen, das Angebot ist klar an der Freizeitgestaltung von Jugendlichen orientiert. Diejenigen, die momentan dabei sind, haben viel Spaß und freuen sich jede Woche auf das neue Treffen. Wer Interesse hat, kann auch gerne vorbeikommen – jeden Dienstag ab 18:00 Uhr im Kinder- und Jugendhaus Immenweg.

Jörg Backes
Projektleiter Kinder- und Jugendhaus Immenweg