analog_web Tweeten, Liken, Hashtaggen oder Posten? „Häh?“ würde mein Vater jetzt sagen. Aber für den Teil der Bevölkerung, der sich mit neuen Medien auseinandersetzt und vertraut gemacht hat, sind das Begriffe, die zwar in verbaler Kommunikation so gut wie nie auftreten, aber doch allgegenwärtig sind. Und alle wissen, was gemeint ist. Ob man der englischen Sprache mächtig ist oder nicht. Dies ist ein Ergebnis des Hypes um soziale Online-Netzwerke, wie Facebook, twitter oder Google+. Es heißt nicht mehr: „Hab ich ihm schon erzählt“ oder „Das finde ich super“. Es heißt jetzt: „Hab ich schon getweetet!“ oder „Ist geliked!“. Und zu wem sagt man das? … gar nicht! Man postet es. Dann werden es die, die’s interessiert schon lesen, ggf. liken und, mit einem hashtag versehen, selbst etwas zu diesem Thema posten.

Man merkt schon, dass eine solche Kommunikation auf verbaler Ebene sehr verwirrend wäre. Deshalb wird online hauptsächlich mit Klicks, Emoticons und Abkürzungen, wie „lol“ oder „rofl“ kommuniziert. Das verwirrt zwar den Ahnungslosen, spart dem Chatter und User im www aber Zeit.

Kann man sich überhaupt noch vorstellen, dass ein Leben ohne SMS, Internet, Smartphones, Tablets und Computer jemals möglich oder lebenswert war? Man kann! Und man stellt sogar fest, dass Kommunikation auch auf persönlicher und verbaler Ebene, selbst Generationen nach der meines Vaters, noch funktioniert und sogar sinnvoll, nützlich und zeitweilig auch interessant sein kann.

digital_web „Was ist analog?“ hab ich vor kurzem einen jugendlichen Besucher des KiJuNa gefragt. „Das Gegenteil von digital!“ war die Antwort. LOL! Aber gut. Ein weit verbreitetes Phänomen ist das analoge Social Networking. Auch wenn dieser Begriff vielleicht neu anmuten mag, ist es doch seit Anbeginn der Zeit bei jeder Spezies des Planeten ein Werkzeug, das wir auch heute nicht müde werden zu nutzen. Die Verbreitung von Nachrichten, und seien sie auch noch so irrelevant für das Fortbestehen der Menschheit, ist fester Bestandteil des Alltäglichen. Zudem ist es ein wichtiger Faktor in der Arbeit unserer Kinder- und Jugendeinrichtung. Das Kennenlernen anderer Kinder, Anfreunden, gemeinsames Erleben von Freude, Frust und Trauer. Das Mitteilen von Neuigkeiten aus der Schule oder Entdecken gemeinsamer Interessen. All das dient dem Aufbau von sozialen Netzwerken. Ich stelle fest, mit wem ich etwas gemeinsam habe und nutze die daraus resultierenden Kontakte für die Gestaltung meiner Freizeit. Und das alles ohne Maus, Tastatur oder W-Lan-Verbindung. Nah und direkt. „Offline-Tweets“ können weitaus zielgerichteter erfolgen. Im Normalfall hat man den Adressaten direkt vor sich und kann einschätzen, ob es ihn interessiert, dass man heute beim Mittagessen eine Erbse aus der Nase geschossen hat. Auch das anschließende gemeinsame Lachen über die Erzählung ist um ein vielfaches direkter und vor allem emotional greifbarer als ein geschriebenes „haha“, ein Smiley aus Doppelpunkt, Minus und Klammer zu, oder ein „lol“.

Persönliche Nähe und der unmittelbare Kontakt zu den Mitgliedern des eigenen Netzwerks nährt Empathie und das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einer Gruppe. Und genau das ist es, was eine Gruppe dynamisch macht. In einer Zeit in der reale Dynamik immer stärker einer durch Medien geförderten Lethargie weicht, sollten wir darauf achten, dass unsere Kinder die Vorzüge von persönlichem Kontakt zu anderen Kindern kennen und schätzen lernen.

Der Mensch ist ein Rudeltier und als solches braucht er für seine Entwicklung den Kontakt und die Nähe zu anderen Menschen. Wir sollten aufpassen, dass wir diese Nähe nicht mit unseren Avataren in virtuellen Welten, sondern ganz direkt in unserem persönlichen Umfeld suchen.

In diesem Sinne:  Ich bin dann afk. Also c u!*

Kristoffer Baumann
Projektleiter KiJuNa 

 

  • afk = away from keyboard
  • c u = see you
  • lol = laughing out loud
  • rofl = rolling on the floor laughing